Zeitgeschichte:Stramm rechts - und im Parlament

Lesezeit: 4 Min.

Bei der ersten Sitzung des Deutschen Bundestages in Bonn am 7. September 1949 saßen noch die Hohen Kommissare der Alliierten mit im Saal. Sie vergaben bis 1950 Lizenzen für Parteien - und ließen Nachfolgeorganisationen der Nationalsozialisten nicht zu. (Foto: SZ Photo)

Mit der AfD dürfte wieder eine Partei rechts von der Union in den Bundestag einziehen. So etwas gab es nur in der Frühzeit der Bundesrepublik. Damals holte Kanzler Adenauer die Deutsche Partei in die Regierung.

Von Kurt Kister

Aller Voraussicht nach wird es im 19. Deutschen Bundestag so viele Parteien geben wie lange nicht mehr. Mutmaßlich sechs Fraktionen werden vertreten sein, und wenn man die CDU sowie ihren bayerischen Regionalableger CSU als zwei Parteien zählt, sind es sogar sieben Parteien. 2013 verfehlte die FDP den Einzug in den Bundestag; die AfD blieb ebenfalls draußen. In der gerade vergangenen Legislaturperiode bestimmte die Union mit der ihr in der großen Koalition verbundenen SPD auch erhebliche Teile des parlamentarischen Geschehens; Linkspartei und Grüne stellten die Opposition.

Angesichts des zu erwartenden Einzugs der rechten AfD sowie des Wiedereinzugs der FDP wird gerne über die Zahl der Parteien im Parlament sinniert. Darüber hinaus gilt vielen die Etablierung einer zwischen nationalkonservativ und rechtsextrem changierenden Partei im Bundestag als Zäsur. Letzteres trifft einerseits zu, denn weder NPD noch DVU oder Republikaner holten jemals genug Stimmen, um im Bundestag vertreten zu sein. Andererseits gab es in der Frühgeschichte der Bundesrepublik noch mehr Parteien im Parlament; einige davon waren eindeutig rechts oder sogar weit rechts von der damals ebenfalls viel konservativeren Union.

Die Fünf-Prozent-Sperrklausel galt bis 1953 nicht bundesweit

Im 1. Deutschen Bundestag, der am 7. September 1949 zusammentrat, saßen Vertreter von 12 Parteien sowie drei parteilose Abgeordnete. Zwar gab es bereits eine Fünf-Prozent-Sperrklausel; die aber galt, anders als seit 1953 und bis heute, nicht bundesweit. Jede Partei, die mindestens in einem Bundesland mehr als fünf Prozent der Stimmen erzielte, hatte die Chance, Abgeordnete ins neue Parlament zu entsenden. Weibliche Abgeordnete gab es übrigens kaum; von den 410 neuen Parlamentariern waren ganze 28 Frauen.

"Schlussrunde" der Spitzenkandidaten
:"In Bayern gibt es kein einziges besetztes Haus"

In der TV-Schlussrunde gehen sieben Spitzenpolitiker in den Wahlkampfendspurt. Nicht nur beim Thema AfD zeigt sich große Einigkeit. Offen bleibt: Kann Joachim Herrmann sich wirklich von seiner geliebten Heimat lösen?

Von Jakob Schulz, Berlin

Die bedeutendste der rechten Parteien im ersten Bundestag war die Deutsche Partei (DP), die in Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Hamburg und Bremen antrat und in jedem dieser Länder deutlich über fünf Prozent kam. Die DP hatte einerseits eine nationale, streng anti-kommunistische Wählerschaft; sie pflegte andererseits aber auch Verbindungen weit ins rechte Lager, auch zu mehr oder weniger geläuterten Nazis. Einen geplanten Verbund der DP mit anderen rechten Parteien hatte die britische Besatzungsmacht untersagt; sie behielt sich in dieser Zeit kurz nach dem Ende der Nazi-Diktatur die Lizenzierung von Parteien vor. Schon damals aber stimmte nicht, was Franz Josef Strauß später postulierte: Es gab durchaus Parteien rechts von der Union, auch im Bundestag.

Die DP war für eine Vielzahl der CDU-Funktionäre immerhin so akzeptabel, dass Konrad Adenauer sie damals als Koalitionspartner gemeinsam mit der seinerzeit ebenfalls eher nationalkonservativen FDP in seine erste Regierung holte. Bei den Bundestagswahlen 1953 und 1957 sorgte die CDU sogar für das parlamentarische Überleben der rechtsauslegenden DP. Die Union unterstützte in etlichen sicheren konservativen Wahlkreisen die Direktkandidaten der Deutschen Partei. 1953 war zwar die bundesweite Fünf-Prozent-Hürde in Kraft getreten, welche die DP nicht überwinden konnte. Weil sie aber dank der Duldung durch die CDU jeweils mehr als drei Direktkandidaten durchbrachte, blieb die DP auch 1953 und 1957 im Bundestag.

Eine Partei aus Nationalkonservative, Monarchisten und Nazis

Noch weiter rechts als die DP stand die DKP/DRP. Das Kürzel DKP steht nicht etwa für einen kommunistischen Anteil in der Deutschen Rechtspartei (DRP), sondern für die Deutsche Konservative Partei. (Die Kommunisten saßen als KPD mit 5,7 Prozent im ersten Bundestag; 1956 wurde die KPD in der Folge der allgemeinen Kommunistenhatz verboten. Als DKP konstituierte sie sich 1968 in gewisser Weise neu.)

Die DKP/DRP, in der Nationalkonservative, Monarchisten aber auch Nazis vertreten waren, gelangte 1949 in den Zwölf-Parteien-Bundestag, weil sie in einem Bundesland, in Niedersachsen, 8,1 Prozent der Stimmen erzielt hatte. Wie das unter Rechten nahezu üblich ist, zersplitterte die DKP/DRP alsbald. Ein Teil schloss sich mit hessischen Rechten zur Deutschen Reichspartei zusammen; ein anderer Teil bildete die "Nationale Rechte". Etliche aus diesem Verein übrigens traten dann der FDP bei.

Ein anderes Kuriosum aus dem Bundestag 1949 waren die 11 Abgeordneten der Bayernpartei. Die damals stark separatistisch und mäßig monarchistisch aufgelegte Bayernpartei lag mit 20 Prozent in Bayern nur um neun Prozent schlechter als die CSU, wobei heute schwer zu sagen ist, welche der beiden bajuwarischen Parteien damals weiter rechts stand. Nach 1949 schaffte die Bayernpartei den Einzug in den Bundestag nicht mehr. Wie sehr sich die Zeiten geändert haben, zeigt auch die Tatsache, dass ausgerechnet die SPD gemeinsam mit der Bayernpartei, der FDP und dem national-revisionistischen Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten (BHE) 1954 für ein paar Jahre lang eine überaus seltsame Regierungskoalition in Bayern bildeten. Dies geschah auch, weil die CSU die große Koalition mit der SPD in Bayern nicht mehr fortsetzen wollte.

Das ehemalige NSDAP-Mitglied Theodor Oberländer wurde Minister

Der 1950 gegründete BHE verstand sich zunächst weniger als eine Partei mit allgemein politischem Anspruch, sondern eher als eine Interessenvertretung der aus den sogenannten Ostgebieten vertriebenen Deutschen. Auch weil diese ihre politische Heimat nicht in sehr großer Zahl beim BHE sahen, kümmerte sich der Bund um deutsche "Kriegsopfer" im weiteren Sinne, durchaus aber auch um Beamte, die glaubten, im Zuge der Entnazifizierung Nachteile erlitten zu haben, um ehemalige Soldaten und andere. Dies verschob den Fokus des BHE mehr und mehr nach rechts. Unter den Funktionären des BHE, der eine für die Frühzeit der Republik typische Gruppierung war, gab es viele ehemalige Nazis. 1953 übersprang der BHE bei der Bundestagswahl knapp die Fünf-Prozent-Hürde. In der zweiten Regierung Adenauer fanden sich zunächst der BHE, die DP und die FDP als Koalitionspartner. 1955 verließen BHE und FDP diese Koalition, auch wenn der bekannteste und sehr umstrittene BHE-Funktionär Theodor Oberländer zunächst als "Gast" und später als übergetretenes CDU-Mitglied Minister blieb.

Oberländer hatte bereits als Student am Hitlerputsch 1923 teilgenommen; nach dem Krieg stellte er dies als einen "Zufall" dar. Ihm wurde vorgeworfen, für diverse Gräueltaten als Wehrmachtsoffizier verantwortlich gewesen zu sein; in der DDR wurde gegen ihn in Abwesenheit ein Schauprozess geführt. Gemeinsam mit dem einstigen NS-Juristen Hans Globke, der als Adenauers Kanzleramtschef tätig war, galt Oberländer bei Kritikern von Adenauers Politik als ein Beispiel für personelle Überschneidungen zwischen dem NS-Apparat und der Bundesrepublik.

In den Bundestag schaffte es der BHE nur einmal. In diversen Landtagen saß er bis zum Beginn der Sechzigerjahre. Wenn die AfD nun 2017 in den Bundestag kommt, steht sie mindestens historisch in der Kontinuität von Vorgängern wie der Deutschen Rechtspartei oder dem BHE.

© SZ vom 22.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Bundestagswahl
:So steht es im Bundestagswahlkampf

Wer liegt vorne? Wo stehen die kleinen Parteien? Wer muss um den Einzug ins Parlament bangen?

Von Katharina Brunner, Markus C. Schulte von Drach, Christian Endt, Martina Schories

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: