Zeitgeschichte:Räume der Freiheit

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Der Kirchenhistoriker Andreas Stegmann hat eine gelungene Analyse über Christen in der DDR vorgelegt.

Von Cord Aschenbrenner

Hier begann der Anfang vom Ende der DDR: Nikolaikirche in Leipzig, fotografiert im Jahr 1992. (Foto: Regina Schmeken)

Am Ende ging es nicht ohne die Kirchen. In den letzten Wochen vor dem Mauerfall 1989 waren es oft evangelische Geistliche, die zwischen der DDR-Staatsmacht und der Opposition vermittelten. Wenige Monate später suchten der gestürzte, kranke Ex-SED-Chef Erich Honecker und seine Frau Margot in einem Pfarrhaus bei Berlin Schutz. Über diese letzte Demütigung für das einst allmächtige Paar zu triumphieren, verbot sich aus christlicher Sicht. Aber all jene, die unter dem Umgang der SED mit den evangelischen Landeskirchen, aber auch der katholischen Kirche gelitten hatten, konnten doch das Gefühl haben, dass die Gerechtigkeit gesiegt hatte.

Der Berliner Kirchenhistoriker Andreas Stegmann schildert das kaum jemals gedeihliche, stattdessen oft konfrontative Verhältnis des SED-Staats mit seinem Totalitätsanspruch auch gegenüber den Kirchen auf nicht viel mehr als hundert Seiten prägnant, verständlich und gut lesbar. Den Grundkonflikt, nämlich dass der Staat "die einzige und totale Ordnung menschlichen Lebens werden und also auch die Bestimmung der Kirche erfüllen" solle, wie es schon 1934 die Barmer Theologische Erklärung der Bekennenden Kirche abgelehnt hatte, sieht Stegmann in der DDR niemals überwunden. Wohl aber habe sich die Art und Weise der Konfrontation geändert. Folglich erzählt er die Geschichte der Kirchen in der DDR "auch als Geschichte der Abmilderung und Einhegung dieses Konflikts". Es gab ihn, weil die Kirchen die einzigen institutionell selbständigen Akteure waren, die der Staat wegen der Vielzahl ihrer Mitglieder glaubte zulassen zu müssen - Aufbau des Sozialismus hin oder her.

Das Verhältnis zum Staat war angespannt

Andreas Stegmann: Die Kirchen in der DDR. Von der sowjetischen Besatzung bis zur Friedlichen Revolution. Verlag C.H. Beck, München 2021. 129 Seiten, 9,95 Euro. (Foto: N/A)

"Kirche im Sozialismus" hieß die Formel, mit der die im Bund Evangelischer Kirchen (BEK) zusammengeschlossenen Landeskirchen seit 1971 ihre Stellung als Volkskirche in der DDR zu erneuern suchten und damit auch das Verhältnis zum Staat. Aber die Beziehung der Protestanten zur sozialistischen weltlichen Obrigkeit blieb bis zu deren Ende fragil und überwiegend angespannt. Was nicht erstaunlich ist angesichts der Behinderung kirchlicher Veranstaltungen, der Einführung des Wehrkundeunterrichts 1978 trotz kirchlichen Protests und der Schikanen an Kindern aus christlichen Elternhäusern.

Die katholische Kirche in ihrer ostdeutschen Diaspora hingegen beschränkte sich, so Stegmann, "auf ihr religiöses Kerngeschäft"; sie setzte auf Rückzug, nicht auf gesellschaftliche Wirkung. Da die SED das Reichskonkordat von 1933 nicht anerkannte, blieb die Rechtsgrundlage der Beziehungen zwischen Kirche und Staat lange unklar. Öffentlich war die katholische Kirche viel weniger präsent als die evangelische. Aber auch sie bot bis 1989, wie Stegmann zutreffend schreibt, "einen Raum der Freiheit".

© SZ vom 02.08.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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