KPD-Verbot:Extrem gegen links

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Weg damit: Polizisten räumen nach dem Verbot 1956 die KPD-Landesleitung in Hamburg. (Foto: Süddeutsche Zeitung Photo)

Historiker Josef Foschepoth zeigt, dass das KPD-Verbot im Jahr 1956 verfassungswidrig war. Selbst einem der Scharfmacher lastete das später auf dem Gewissen.

Rezension von Ralf Husemann

Der Feind stand links, eigentlich wie eh und je. Der Zweite Weltkrieg, in dem Deutschland mit der Sowjetunion zugleich den Kommunismus aus der Welt schaffen wollte, war gerade erst vier Jahre her, da wurden schon wieder die Geschütze in Stellung gebracht. Zwar diesmal (vorerst) nur im metaphorischen Sinn, dennoch klang es schon wieder nach Kriegsgeschrei.

Eigentlich, so sollte man annehmen, hatte die junge Bundesrepublik genug zu tun, das materiell wie seelisch zerstörte Land wiederaufzubauen und, noch schwieriger, eine funktionierende Demokratie zu schaffen. Doch das konnte nach Überzeugung vieler Politiker und auch der Mehrheit der deutschen Bevölkerung nur gelingen, wenn erst einmal die "kommunistische Gefahr" beseitigt sei.

Konrad Adenauer (CDU), der sonst so unterkühlte erste Bundeskanzler, wollte voller Pathos die Kommunistische Partei "bis zum Untergang der Welt" verboten haben. Sein Justizminister Thomas Dehler (FDP) sah ein "Trojanisches Pferd in unserer Mitte", und sogar die ebenso wie die KPD von den Nazis verfolgte SPD warnte davor "Wer KPD wählt, wählt KZ".

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Josef Foschepoth, bis 2013 Professor für Zeitgeschichte in Freiburg und ein profunder Kenner der KPD-Geschichte, hat den von ihm so genannten "Kalten Bürgerkrieg" der deutsch-deutschen Nachkriegsgeschichte eindringlich, ungeschminkt und angesichts des komplizierten Themas auch für Nichtjuristen spannend beschrieben. Seine Hauptthese, dass das Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht, das mit einem Verbot der KPD endete, selbst verfassungswidrig war, belegt er mit zahlreichen bislang unveröffentlichten Dokumenten.

Wie aktuell er damit ist, zeigt die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom vergangenen Januar. Explizit distanzierte sich BVG-Präsident Andreas Voßkuhle von einem "Gesinnungs- und Weltanschauungsverbot", wie es beim Verfahren gegen die KPD 1956 angewandt wurde. Deshalb wurde jetzt die NPD zwar für verfassungswidrig eingestuft. Auf ein Verbot wurde aber verzichtet, da nach menschlichem Ermessen keine Aussicht darauf bestehe, dass die Partei "ihre verfassungswidrige Absicht in absehbarer Zukunft werde verwirklichen können".

Verfahrensablauf bis ins kleinste Detail von der Regierung diktiert

Vor 61 Jahren sah dies dasselbe Gericht noch ganz anders. Auf den Punkt gebracht, war der Prozess, der erst nach 55 Monaten (!) 1956 mit dem Verbot der KPD, dem Einzug ihres Vermögens und der strafrechtlichen Verfolgung ihrer Mitglieder abschloss, ein einziger Skandal.

Das in einer Demokratie eigentlich selbstverständliche Gebot der Gewaltentrennung wurde mit Füßen getreten. Es gab unzählige Absprachen der Karlsruher Verfassungsrichter mit der Bundesregierung, obwohl die als Kläger und damit als "Prozesspartei" sich hätte überhaupt nicht einmischen dürfen.

Das Gegenteil war sogar der Fall. Kanzler, Justiz- wie Innenminister setzten ständig das Gericht massiv unter Druck, wobei bis ins kleinste Detail der Verfahrensablauf festgelegt wurde. Das Ganze war laut Foschepoth "ein politisches und justizielles Desaster". Später sahen das auch manche Scharfmacher wie etwa Thomas Dehler ein, der einräumte: "Mein Gewissen schlägt schwer".

Und der seinerzeitige "Oberbundesanwalt" (jetzt heißt das Generalbundesanwalt) Max Güde kritisierte in einem Interview die politische Justiz: Sie spreche Recht "aus dem gleichen gebrochenen Rückgrat heraus", wie das schon beim nationalsozialistischen Sondergerichtswesen der Fall gewesen sei.

Denn auch der junge neue deutsche Staat war weitgehend geprägt von den Stützen des Nazi-Regimes, die in den Ministerien, in den Gerichten, teilweise sogar auch im Bundesverfassungsgericht, wieder mächtig waren. So war das erste Strafrechtsänderungsgesetz, mit dem vor allem der Kommunismus bekämpft werden sollte, maßgeblich von Josef Schafheutle geschrieben, der auch schon an Nazi-Gesetzen wie der "Heimtücke-Verordnung" oder an der Bildung von Sondergerichten beteiligt war.

Und auch jetzt gab es wieder "Sonderstrafkammern", obwohl solche Ausnahmegerichte von den Besatzungsmächten abgeschafft worden waren und eigentlich auch nach dem Grundgesetz verboten sind. Peinlicherweise wurden diese ausschließlich für politische Straftaten zuständigen Gerichte auch noch in vielen Fällen exakt in denselben Gebäuden untergebracht, in denen die NS-Sondergerichte ihre Unrechtsurteile verhängt hatten.

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Das Gespür für Peinlichkeit war freilich ohnehin sehr unterentwickelt, das zeigte sich auch an vermeintlichen Kleinigkeiten: So stellte das Bundesverfassungsgericht wie selbstverständlich den Vertretern der Bundesregierung Räume im Gericht zur Verfügung. Die Kommunisten hatten nicht ein solches Privileg, wie sie auch nie etwas von den intensiven Absprachen von Bundesregierung und Gericht erfuhren, deren Protokolle alle "geheim" oder "streng geheim" waren.

Um sich weitere Wege zu sparen, wurden anfangs der Präsident des Bundesverfassungsgericht und der Vorsitzende des für den KPD-Prozess zuständigen Ersten Senats in derselben Pension untergebracht wie ein Mitglied der Prozessvertretung der Bundesregierung. So wurden wichtige Dinge praktisch zwischen Tür und Angel geregelt.

In diesem sogenannten Staatsprozess - ein Begriff des Verfassungsrichters Erwin Stein - wurde nicht nur gekungelt, benachteiligt, das Gesetz zigfach gebrochen und die Unabhängigkeit des Bundesverfassungsgerichts permanent missachtet, sondern auch gefälscht. Der erwähnte Erwin Stein, zuvor hessischer Kultusminister, hatte als wichtiger "Berichterstatter" des Ersten Senats 1952 den früheren DDR-Funktionär Georg Wilhelm Jost als Zeugen vernommen und beeidigt. Die "Antragsgegnerin", also die KPD, wurde über diesen Termin gesetzeswidrig nicht informiert, ja das Verhör wurde sogar fast zweieinhalb Jahre geheim gehalten.

"Höchstrichterlich gefälschtes Vernehmungsprotokoll"

Aber nicht nur das. Wie Foschepoth jetzt erstmals in seinem Buch dokumentieren konnte, hatte Stein nur einen Teil des Vernehmungsprotokolls selbst geschrieben. Zehn Seiten, also die Hälfte seines angeblichen Gesprächs mit Jost, hat er von einer früheren Vernehmung einfach abgeschrieben. Auch dies wurde geheim gehalten, weil dieses erste Verhör sechs Wochen zuvor durch das Bundesamt für Verfassungsschutz durchgeführt worden war.

Diese Behörde darf aber selbst niemanden vernehmen, sondern nur Informationen beschaffen, weshalb dies hier, wie in anderen Fällen auch, als bloße "Befragung" und "persönliche Erklärung" bezeichnet wurde. Dies alles und weitere detailliert ausgebreitete Ungereimtheiten nennt Foschepoth ein "höchstrichterlich gefälschtes Vernehmungsprotokoll" und ein "unrechtmäßig beschafftes Beweismittel".

Erst im Jahr 1968, nachdem 6900 Kommunisten verurteilt worden waren (zum Vergleich: bis dahin gab es 961 NS-Prozesse), viele ihren Arbeitsplatz oder auch ihre Entschädigungszahlungen für Haftzeiten im "Dritten Reich" verloren hatten, kam die bundesrepublikanische Wende: Für alle bis dahin begangenen politischen Straftaten beschloss der Bundestag eine Amnestie, es wurde ein bis dahin nicht vorhandener zweiter Rechtsweg eingeführt, das Legalitätsprinzip wurde durch das Opportunitätsprinzip ersetzt. Dies bedeutete, leider viel zu spät, das Ende des deutschen Gesinnungsstrafrechts.

Josef Foschepoth : Verfassungswidrig! Das KPD-Verbot im Kalten Bürgerkrieg. Verlag Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2017. 492 Seiten, 40 Euro. E-Book: 32,99 Euro.

© SZ vom 09.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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