Es war ein guter Nachmittag für Rex Tillerson, den Außenminister. Und auch für Rex Tillerson, den ehemaligen Chef des Ölkonzerns Exxon Mobil. Zunächst bestätigte der Senat am Mittwoch den 64-Jährigen und machte den Weg frei für seine Vereidigung. Wenige Minuten später stimmte die republikanische Mehrheit im Repräsentantenhaus für die Rücknahme einer Regelung, gegen die Tillerson als Exxon-CEO vor einigen Jahren höchstpersönlich Lobbyarbeit gemacht hatte.
Die von der Börsenaufsicht erlassene Regulierung sieht vor, dass amerikanische Öl-, Gas- und Bergbaufirmen ihre Zahlungen an ausländische Regierungen offenlegen müssen. Die Passage wurde 2010 in einem Gesetz zur Bankenregulierung verankert, um den sogenannten Ressourcenfluch zu bekämpfen: Gemeint ist damit, dass in Ländern der Rohstoffreichtum nicht den Bewohnern zugutekommt, weil die ausländischen Zahlungen für Bohrlizenzen in dunkle Kanäle statt in den Staatshaushalt fließen.
Secretary of State:Trump vereidigt Tillerson als Außenminister der USA
Kritiker werfen dem Multimillionär zu große Nähe zu Russland vor. Am Donnerstag trifft Tillerson in Washington den deutschen Außenminister Gabriel.
Damals waren die USA Vorreiter: Die Ölindustrie scheiterte mit ihrem Kampf gegen die Gesetzespassage, Abgeordnete aus beiden Parteien stimmten für den Zusatz. Ähnliche Regeln wurden danach auch in der Europäischen Union und Kanada auf den Weg gebracht. Europäische Ölriesen wie Total, Shell oder BP weisen heute ihre Zahlungen aus, russische Staatsfirmen wie Rosneft oder Gazprom haben sich angeschlossen. Für 2019 wollten China und Brasilien ähnliche Regeln einführen.
In den Vereinigten Staaten dagegen ist die Regulierung noch gar nicht in Kraft getreten. Das liegt daran, dass sie bei Exxon, Chevron und Co. äußerst verhasst ist. Über Jahre hinweg klagte die American Petroleum Industry, der mächtige Interessenverbund der Gas- und Ölindustrie, gegen sämtliche Entwürfe und verzögerte so die Einführung. Schließlich wurde im Juni 2016 die aktuelle Version der Richtlinie erlassen, die Ausnahmen erlaubte und Standards aus Europa und Kanada übernahm, um den bürokratischen Aufwand zu vermindern. Sie wäre Ende 2018 verpflichtend geworden.
"Eine Botschaft an korrupte Führer"
Daraus wird nun wohl nichts und dafür machen sich die Republikaner im Kongress ein Gesetz aus den Neunzigern zunutze, den "Congressional Review Act": Demnach kann der Kongress unter Zustimmung des Präsidenten Regulierungen kippen, die innerhalb der vergangenen 60 Sitzungstage des Kongresses erlassen wurden und als unnötig klassifiziert werden. Die Transparenzregel für die Ölindustrie fällt noch ganz knapp in diesen Zeitraum.
Als Begründung nennen die Republikaner, deckungsgleich mit der Ölindustrie, Wettbewerbsnachteile, eine finanzielle Mehrbelastung und bereits existierende Gesetze gegen die Bestechung von Regierungen.
Allerdings soll das Gesetz nicht nur verdeckte Zahlungen verhindern, sondern eben auch Transparenz über Geldflüsse schaffen. Wenn ein Land 50 Millionen US-Dollar von Exxon oder Chevron erhält, wissen Abgeordnete und Bürger, dass dieses Geld im Staatshaushalt auftauchen sollte. Die Rücknahme der Richtlinie "würde die Botschaft an korrupte Führer überall vermitteln, dass ihre Missetaten keine Priorität der US-Außenpolitik mehr sind", sagt Arvind Ganesan. Er ist Direktor für Wirtschaft und Menschenrechte bei Human Rights Watch, einer von vielen NGOs, die vor der Abschaffung warnen.
In einem Online-Beitrag melden sich auch der frühere Senator Dick Lugar (Republikaner) und Senator Ben Cardin (Demokraten) zu Wort, die das Gesetz einst auf den Weg gebracht hatten: Kein einziger amerikanischer Job werde verschwinden, die Transparenz sei inzwischen globaler Standard und deshalb auch kein Nachteil. Unter dem Strich sei das Vorhaben schlicht eine Tragödie. "Jenseits der großen Ölfirmen sind es die Autokraten in Ländern wie Russland, Iran oder Venezuela, die eine Rücknahme wollen", schreiben sie. "Sie haben Öl- und Gasfelder oder Kupferminen und wollen das Geld vor ihren Bürgern geheimhalten. Warum sollte man ihnen dabei helfen?"
Keine Neufassung mehr möglich
Nachdem die Republikaner nun der Rücknahme im Repräsentantenhaus zugestimmt haben, soll am Donnerstag bereits der Senat abstimmen. Dort genügt den Konservativen ihre einfache Mehrheit. Bislang hat sich noch kein Abweichler zu erkennen gegeben. Dass US-Präsident Donald Trump die Aufhebung unterschreibt, gilt als sicher.
Diese Rücknahme hätte Folgen, die über die aktuellen Mehrheitsverhältnisse hinausgehen könnten. Die Börsenaufsicht darf danach keine Regulierung mehr erlassen, die "substanziell die gleiche Form hat", ist aber zugleich weiterhin durch das Gesetz daran gebunden, regulierend einzugreifen. Weil das Rücknahme-Prozedere bislang erst einmal angewendet wurde (im Jahr 2001), sind juristische Fragen rund um solche Widersprüche völlig ungeklärt und dürften am Ende gerichtlich entschieden werden.
Zu weiteren Regelungen, die durch den "Congressional Review Act" zurückgenommen werden sollen, gehören Maßgaben zu Bergbau-Abwässern in Flüssen und Beschränkungen des Methan-Ausstoßes.