Zahlen aus den EU-Mitgliedsländern:Europas Wähler strafen ihre Regierungen ab

Lesezeit: 2 min

Zahlen aus den EU-Ländern: Nach den Zugewinnen in den Niederlanden feiern die EU-Skeptiker auch in Österreich einen Triumph. Die Wahlbeteiligung erreicht Rekordtief.

Die konservative Europäische Volkspartei (EVP) hat nach einer EU-weiten Hochrechnung die Europawahl gewonnen. Mit 267 bis 271 Sitzen wird sie im neuen EU-Parlament die mit Abstand stärkste Fraktion stellen.

Die Sozialisten kommen auf 157 bis 161 Sitze. Die Beteiligung war so niedrig wie nie: Nur 43,4 Prozent der 375 Millionen Wahlberechtigten gingen an die Urnen, um über die Zusammensetzung des Straßburger Parlaments mit 736 Abgeordneten zu entscheiden.

Vor fünf Jahren waren es 45,5 Prozent. Europas Bürger nutzten die Wahl auch, um ihre nationalen Regierungen abzustrafen. In Irland, Österreich, Griechenland, Bulgarien, Tschechien, Malta und den Niederlanden mussten Regierungsparteien den vorläufigen Wahlergebnissen von Sonntagnacht zufolge Verluste hinnehmen. Zudem gehen die europafeindlichen und extremen Kräfte gestärkt aus der Wahl hervor.

Gegen den Trend konnte sich Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy behaupten, dessen UMP mit 28 Prozent stärkste Kraft wurde; die Sozialisten dagegen mussten mit nur 16,8 Prozent eine herbe Niederlage einstecken. Fast so viel erreichten mit 16,2 Prozent die von Daniel Cohn-Bendit geführten Grünen. Dagegen liegen in Spanien die regierenden Sozialisten mit 38,7 Prozent hinter der oppositionellen Volkspartei. Auch Portugals sozialistischer Ministerpräsident José Socrates musste mit 27,7 Prozent einen Denkzettel einstecken - seine Partei wurde nur zweitstärkste Kraft. In Irland liegt die Oppositionspartei Fine Gael mit 30 Prozent an erster Stelle vor der Partei von Premier Cowen. In Österreich verlor die SPÖ von Regierungschef Werner Faymann 9,5 Prozentpunkte und erreichte nur noch 23,7 Prozent der Stimmen.

In Griechenland und auf Malta liegen die oppositionellen Sozialisten mit 36,2 beziehungsweise 55 Prozent vorne. In Tschechien sahen Hochrechnungen die konservativ-liberalen ODS, deren Parteichef Mirek Topolanek erst vor kurzem als Premier gestürzt worden war, mit 29 Prozent vorne. Auch in Bulgarien überflügelte die bürgerliche Opposition Gerb mit 25,3 Prozent die regierenden Sozialisten.

Verluste für Labour

Die britische Labour-Partei von Regierungschef Gordon Brown muss bei der Europawahl aller Voraussicht nach deutliche Stimmenverluste hinnehmen. Nach ersten Teilergebnissen, die in der Nacht zum Montag veröffentlich wurden, erreichte die Labour-Partei mit 14,5 Prozent der Stimmen nur den vierten Platz. Die konservativen Tories wurden demnach mit 28 Prozent klar stärkste Kraft. Besser als Labour schnitten auch die europaskeptische UKIP mit 18 Prozent und die Liberal-Demokraten mit 15 Prozent ab. Auch die rechtsextreme British National Party (BNP) zieht erstmals mit einem Sitz ins Europaparlament ein. Die Resultate betrafen zunächst jedoch nur zehn der 72 britischen Mandate.

In Italien hat sich die Partei von Ministerpräsident Silvio Berlusconi bei der Europawahl offenbar als stärkste Kraft durchgesetzt. Nach einer ersten Hochrechnung des Fernsehsenders Sky TG24 vom Sonntagabend stimmten 39 Prozent der Italiener für das konservative Volk der Freiheit (PDL). Damit hat Berlusconi sein erklärtes Wahlziel von 40 Prozent offenbar knapp verfehlt. Die wichtigste Oppositionspartei, die Demokratische Partei (PD), wurde der Hochrechnung zufolge mit 27,5 Prozent zweitstärkste Kraft.

In Ungarn gab es einen massiven Rechtsruck: Die oppositionelle national-konservative Fidesz gewann mit 56,4 Prozent mehr als dreimal so viele Mandate wie die regierenden Sozialisten. In Slowenien gewann die oppositionelle SDS.

Der Anti-EU-Trend zeigte sich vor allem in Österreich, wo die Liste des euroskeptischen Abgeordneten Hans-Peter Martin 17,7 Prozent erreichte und dritte Kraft wurde. In den Niederlanden kann die rechtspopulistische PVV von Geert Wilders als zweitstärkste Kraft mit vier Sitzen rechnen. In Ungarn kam die rechtsextreme Jobbik (Die Besseren) auf 14,7 Prozent, die rumänischen Ultranationalisten schafften sieben Prozent. In Dänemark steigerte die rechtspopulistische DVP ihren Stimmenanteil von 6,8 auf 15,1 Prozent. In Irland allerdings kam die EU-feindliche Libertas auf nur 5,6 Prozent.

© SZ vom 08.06.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: