Süddeutsche Zeitung

Antisemitismus:Yad Vashem darf keine "Waschmaschine" für Rechtsextreme sein

Rassistische und nationalistische Politiker wollen sich mit ihrem Besuch in der weltweit wichtigsten Holocaust-Gedenkstätte reinwaschen. Yad Vashem sollte Haltung zeigen.

Kommentar von Alexandra Föderl-Schmid, Tel Aviv

Die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem steht vor einer schwierigen Entscheidung: Soll sie extrem rechten Politikern den Zutritt verwehren oder nicht? Anlässlich des Besuchs von Italiens Vizepremier Matteo Salvini ist Yad Vashem mit dem Vorwurf konfrontiert, sich als "Waschmaschine" herzugeben. Politiker, die sonst mit ausländerfeindlichen oder antisemitischen Parolen auf Wählerfang gehen, könnten sich hier einen Persilschein holen.

Dieser Eindruck ist zu Recht entstanden, schaut man sich das Gästebuch von Yad Vashem in den vergangenen Monaten an: Der ungarische Premier Viktor Orbán tauchte dort auf, der mit klar antisemitischen Schmähungen gegen George Soros in den Wahlkampf gezogen ist. Der philippinische Präsident Rodrigo Duterte, der sich mit Hitler verglichen hatte, posierte in Yad Vashem für Fotografen.

Die Gedenkstätte lässt sich von der Politik missbrauchen: von den Besuchern aus dem Ausland, die diese Visite als eine Art Unbedenklichkeitsbestätigung für ihre oft rassistische und nationalistische Politik im eigenen Land benutzen; und von Premier Benjamin Netanjahu, der diese Politiker stets gleichlautend als "große Freunde Israels" begrüßt. Der Antiislamismus eint. Netanjahu, der der nach eigener Definition rechtesten Regierung Israels vorsteht, lädt sie ein, weil er sich durchaus berechnend im Gegenzug Unterstützung für seine Anliegen erwartet, etwa für die Verlegung von diplomatischen Einrichtungen nach Jerusalem oder für Maßnahmen gegen Iran.

Neofaschismus nicht mit Werten Israels vereinbar

Israels Präsident Reuven Rivlin hat mit Salvini am Dienstag erstmals einem dieser Politiker ein Treffen verweigert. Offiziell wurden Terminprobleme genannt, in einem CNN-Interview jedoch sagte Rivlin: "Man kann nicht sagen, dass man den Staat Israel bewundert und Kontakte mit ihm haben will, man aber eben neofaschistisch sei. Der Neofaschismus läuft dem Geist, den Prinzipien und den Werten zuwider, auf welchen der Staat Israel gegründet worden ist." Rivlin nennt die Doppelmoral beim Namen, Netanjahu schert sich nicht darum, solange er sich Profit erhofft. Yad Vashem sollte Rivlins Beispiel folgen und extrem rechte Politiker nicht empfangen.

Nicht nur dort ist man mit dieser Grundsatzfrage konfrontiert. Dass man in Buchenwald dem AfD-Politiker Björn Höcke Hausverbot erteilte, nachdem er das Holocaust-Mahnmal in Berlin als "Denkmal der Schande" bezeichnet hatte, war konsequent. Das Mauthausen-Komitee verbat sich, dass zum Befreiungsgedenken Politiker von Österreichs Regierungspartei FPÖ erscheinen. Dass eine Besuchergruppe aus dem Wahlkreis der AfD-Politikerin Alice Weidel bei einem Besuch in der Gedenkstätte Sachsenhausen Gaskammern angezweifelt hat, zeigt auch, dass solche Besuche nicht unbedingt zur Läuterung beitragen.

Yad Vashem hingegen hat sich für eine Führerin entschuldigt, die Österreichs Kanzler Sebastian Kurz auf antisemitische "Einzelfälle" seines Koalitionspartners FPÖ hingewiesen hat. Aber gerade die weltweit wichtigste Holocaust-Gedenkstätte sollte Haltung zeigen - und dies ihren Mitarbeitern auch zugestehen. Der italienische Autor und Auschwitz-Überlebende Primo Levi schrieb: "Jede Periode hat ihren eigenen Faschismus." Dagegen Position zu beziehen, ist ein höchst aktueller Auftrag für Gedenkstätten - nicht nur für Yad Vashem.

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SZ vom 13.12.2018/saul
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