Xi Jinping in Italien:Chinas Brückenkopf in Europa

Xi Jinping in Italien: Einfallstor nach Europa? Blick über den Hafen der norditalienischen Stadt Triest.

Einfallstor nach Europa? Blick über den Hafen der norditalienischen Stadt Triest.

(Foto: AFP)

Bei Xi Jinpings Italien-Besuch soll eine Absichtserklärung zur "Neuen Seidenstraße" unterzeichnet werden. Das Projekt gilt vielen als Versuch Pekings, die globale Handelsordnung auf den Kopf zu stellen. Die USA sind erzürnt.

Von Oliver Meiler, Rom

"Neue Seidenstraße", was für ein suggestiver Name. Da klingt gleich eine andere, ferne Zeit an. Seit die chinesische Staatsführung vor sechs Jahren entschieden hat, für viele Milliarden Euro das sogenannte "Belt and Road"-Projekt mit neuen Straßen, Schienentrassen und Häfen zu bauen, fragt sich die Welt, ob das nicht der Versuch Pekings sei, die globale Handelsordnung auf den Kopf zu stellen und den Westen auf allen Ebenen herauszufordern. 65 Länder wären betroffen.

Früher, in der Antike, fanden auf der Seidenstraße die Waren aus dem chinesischen Reich ins römische. Und so ist es vielleicht nur ein kurioser Wink der Geschichte, dass die Chinesen Jahrtausende später wieder mit den Römern verhandeln.

Triest an der Adria, die alte Hafenstadt im äußersten Nordosten Italiens, könnte einmal ein wichtiges Terminal für den chinesischen Handel werden. Das jedenfalls ist die Idee. Und diese Absicht verursacht gerade viel Aufregung in Brüssel und in Washington, dazu in Paris, London, Berlin. Nutzt Peking Rom etwa als diplomatischen Brückenkopf? Und Triest, Taranto und Genua als Einfallstore nach Europa?

Italien ist nämlich das erste Land aus dem Klub der G-7-Staaten, das bereit zu sein scheint, das kontroverse Großprojekt offiziell zu unterstützen, mit einer Absichtserklärung. Vor einigen Monaten war Italiens Vizepremier und Industrieminister Luigi Di Maio von den Cinque Stelle in Peking, um Vorarbeit zu leisten.

Sehr glücklich war die Vorstellung nicht: Di Maio nannte Chinas Präsidenten Xi Jinping bei der Gelegenheit "Ping", was ihm daheim viel Spott eintrug. Nun aber steht dessen Staatsbesuch in Italien bevor: Vom 21. bis 23. März wird Xi Jinping mit chinesischen Firmenchefs in Rom sein, um ein "Memorandum of Understanding" zur Seidenstraße zu unterzeichnen.

Besuch bei "Signor China"

Es kann sein, dass er auf seiner Reise auch noch einen Halt in Palermo macht. Von dort kommt Michele Geraci, ein gelernter Ingenieur und großer Lobbyist Chinas. Geraci ist Untersekretär in Di Maios Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung und war den Italienern bis vor wenigen Tagen gänzlich unbekannt. Jetzt gilt er als "Signor Cina", Herr China. Geraci, 52 Jahre alt, hatte vor seinem Wechsel in die Politik als Investmentbanker in London gearbeitet und später als Wirtschaftsprofessor an drei chinesischen Universitäten. In China hat er ein gutes Netzwerk, und er spricht auch fließend Chinesisch.

Xi Jinping, Chinas Staatspräsident

Xi Jinping, Chinas Staatspräsident, strebt eine enge Partnerschaft mit Italien an. In Rom will er Ende nächster Woche eine Absichtserklärung zur Seidenstraßen unterzeichnen

(Foto: www.imago-images.de)

Die Biografie und Umtriebigkeit des Sizilianers sind wohl zentral, um den möglichen Alleingang der Italiener in dieser Angelegenheit zu verstehen. Zwar hatten vor den Italienern schon die Griechen, Portugiesen und Ungarn mit den Chinesen angebandelt. Doch unter den bedeutenden westlichen Wirtschaftsmächten ist Italien die erste. Die USA gaben sich zunächst verwundert, dann erzürnt: Auf inoffiziellen Wegen ließ man die Italiener wissen, sie riskierten in dieser Sache eine "schwerwiegende Beschädigung" ihrer internationalen Glaubwürdigkeit.

Der Tonfall fiel überraschend harsch aus. Bislang hatte US-Präsident Donald Trump in der populistischen römischen Regierung enge Verbündete gesehen. Der Tabubruch zur Seidenstraße ist allerdings nicht das erste Zerwürfnis. Schon zu Venezuela vertrat Rom eine andere Linie als der gesamte Westen, genauso wie beim Streit um den Einfluss des chinesischen Telekommunikationskonzerns Huawei.

Das neuerliche Solo ist auch in Italien umstritten. Die Opposition wirft der Regierung vor, sie breche kopflos mit der atlantischen Tradition des Landes und vollführe einen "politischen Bückling vor dem imperialistischen China". Es stimme nicht, dass die neue Seidenstraße dem Export des "Made in Italy" helfe, wie Di Maio das behaupte; die bestehenden Transportrouten reichten aus.

Große Skepsis in der Regierung in Rom

Kritiker wundern sich auch darüber, dass die Cinque Stelle sich gegen eine Schnellzugverbindung zwischen Turin und Lyon wehrten, die im Gemeinschaftsunternehmen mit den Franzosen gebaut werden soll. Gleichzeitig haben sie aber kaum Bedenken bei einer epochalen Großkooperation mit den Chinesen. Di Maio wurde in den vergangenen Wochen gleich zweimal von der parlamentarischen Geheimdienstkommission aufgefordert, die Hintergründe zu erklären.

Selbst innerhalb der Regierung ist die Skepsis groß. Die rechte Lega von Vizepremier und Innenminister Matteo Salvini lässt ausrichten, man wolle die Unterlagen zuerst gründlich studieren, auf den ersten Blick seien die Vorteile für Italien doch relativ gering. Im Normalfall bauen die Chinesen ihre Infrastrukturen ja selbst, mit ihren eigenen Firmen, da würde für die italienischen Unternehmen nichts abfallen. Und was wäre mit der Datensicherheit, wenn die Chinesen im Gesamtpaket auch anbieten würden, dass Huawei das neue Mobilfunknetz in Italien baut, das 5G?

Um die Gemüter zu beruhigen, sagte Cheflobbyist Geraci nun, für Xi Jinpings Besuch arbeite man nicht an einem internationalen Vertrag, sondern nur an einem allgemeinen Papier. Bindend sei das nicht. Ob der Gast aus China das weiß? Immerhin kommt er auf Staatsbesuch. Vielleicht fällt dann der Abstecher nach Palermo wieder aus dem Programm.

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Theo Sommer hat ein halbgares Buch über Pekings Machtstreben geschrieben.

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