Süddeutsche Zeitung

Attentat von Würzburg:Schwierige Suche nach dem Tatmotiv

Bei dem Täter der Messerattacke gibt es bislang keine überzeugenden Beweise für Islamismus, doch spricht einiges für eine psychische Vorbelastung.

Von Markus Balser, Boris Herrmann, Georg Mascolo und Ronen Steinke

Nach der Messerattacke eines 24-jährigen Somaliers in Würzburg am Freitagabend bemühen sich Ermittler, die Hintergründe aufzuklären. Der Täter, der mit einem Messer drei Passantinnen tötete und mehrere Menschen teils schwer verletzte, sitzt in Haft. Eine islamistische Motivation wird derzeit nicht ausgeschlossen, die Hinweise darauf sind allerdings bisher nicht ausreichend. In seiner Asylanhörung gab der 2015 eingereiste Mann an, er habe einen Anschlag der islamistischen Terrormiliz al-Shabaab mit einer Handgranate verhindert und habe daraufhin aus Somalia fliehen müssen.

Ein in diesem Jahr eingegangener Hinweis, dass er im Gegenteil früher für die Terrormiliz gekämpft habe, ließ sich nicht erhärten. Zwar soll der Mann bei seiner Tat "Allahu Akbar" gerufen und später gegenüber Polizeibeamten geäußert haben, diese Tat sei sein "Dschihad", also sein heiliger Krieg. Über Verbindungen zu islamistischen Gruppen ist aber trotz intensiver Ermittlungen bislang nichts bekannt.

Andererseits gibt es starke Hinweise auf eine psychische Vorbelastung. So soll der Täter, Abdirahman J., der zuletzt in einer Würzburger Obdachlosenunterkunft lebte, in den vergangenen Monaten mehrmals durch aggressives Verhalten aufgefallen sein. Die Polizei stufte ihn nicht als Radikalen oder gar als sogenannten Gefährder ein, sondern erwirkte in Würzburg stattdessen eine zeitweise Zwangsunterbringung nach dem bayerischen Psychisch-Kranken-Hilfegesetz. Das örtliche Amtsgericht stimmte dem zu. Voraussetzung dafür ist, dass jemand "auf Grund einer psychischen Störung" sich selbst oder andere Menschen gefährdet.

Politiker der AfD sprachen am Wochenende unmittelbar von einem vermeintlich islamistischen Hintergrund. "Die nächsten islamistischen Messermorde mitten in Deutschland", schrieb Parteichef Jörg Meuthen am Samstag auf Twitter. Würzburgs Oberbürgermeister Christian Schuchardt (CDU) warnte dagegen in einem offenen Brief an die Bürger vor einer politischen Instrumentalisierung der Tat. "Die Verbrechen Einzelner" seien "niemals auf Bevölkerungsgruppen, Religionen, Staatsangehörigkeiten zurückzuführen. Auch wir Deutsche wurden nach dem Zweiten Weltkrieg nicht pauschal verurteilt. Genauso wenig gilt dies jetzt für Somalier oder generell Geflüchtete".

Die Co-Vorsitzende der Linken, Susanne Hennig-Wellsow, sagte der SZ: "Nach so einer furchtbaren Tat besonnen und angemessen zu reagieren, ist schwer." Aber das sei man den Opfern und auch allen, denen solche Taten verständlicherweise Angst machten, schuldig. Man dürfe nicht zulassen, dass solche Taten ihrerseits für "menschenverachtende Propaganda missbraucht werden". Auch Regierungssprecher Steffen Seibert hielt sich zurück mit Spekulationen über das Tatmotiv. Die Ermittlungen würden ergeben, was den Täter antrieb, schrieb er bei Twitter. "Sicher ist: Seine entsetzliche Tat richtet sich gegen jede Menschlichkeit und jede Religion."

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sprach am Samstag in Berlin von einer "entsetzlichen Gewalttat". Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sagte am Sonntag auf der Gedenkfeier für die Opfer und Angehörigen im Würzburger Kiliansdom, die Nachricht von der Tat habe "die Angehörigen, die ganze Stadt und alle ins Herz" getroffen. "Alles ist seit Freitag anders." Er ordnete für Bayern eine dreitägige Trauerbeflaggung an.

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