Wowereit vs. Westerwelle:"Er diskriminiert die Schwächsten"

Berlins Regierender Bürgermeister Wowereit wirft FDP-Chef Westerwelle vor, Deutschland zu spalten. Sogar Merkel geht auf Distanz zum Außenminister.

W. Jaschensky

Breite Front gegen Guido Westerwelle: Lange waren sich SPD und Gewerkschaften, Linke und Grüne nicht mehr so einig wie in der Kritik am FDP-Chef.

Westerwelle, Wowereit, Getty, dpa

"Er diskriminiert die Schwächsten, grenzt und sortiert Menschen pauschal aus": Berlins Regierender Bürgermeister und SPD-Vize Klaus Wowereit (links) attackiert Außenminister und FDP-Chef Guido Westerwelle.

(Foto: Foto: Getty, dpa)

Der hat es nun sogar geschafft, mit seinen Äußerungen zu Hartz IV Angela Merkel gegen sich aufzubringen. "Das ist sicher weniger der Duktus der Kanzlerin", ließ die Regierungschefin über ihre Sprecherin erklären. Inhaltlich wollte Merkel die Aussagen nicht weiter kommentieren.

In einem Gastbeitrag in der Welt hatte der FDP-Chef die Diskussion um das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu Hartz IV scharf kritisiert. Westerwelle sah dort "sozialistische Züge" und warnte vor "spätrömischer Dekadenz". In einem Interview am Freitag legte Westerwelle nach: "Für viele Linke ist Leistung ja beinahe eine Form von Körperverletzung. Dagegen wehre ich mich", erklärte der Bundesaußenminister.

Heftige Kritik

Die Opposition reagiert zunehmend empört. Klaus Wowereit attackiert den Außenminister und wirft Westerwelle vor, die Gesellschaft zu spalten.

"Er diskriminiert die Schwächsten, grenzt und sortiert Menschen pauschal aus", sagte Wowereit zu sueddeutsche.de. Westerwelles Äußerungen seien gefährlich für den Zusammenhalt in Deutschland.

"Westerwelle treibt die Spaltung der Gesellschaft voran und demotiviert damit leider auch Kinder aus sozial schwächeren Familien. Wenn das seine Vorstellung von einer geistig-politischen Wende ist, dann ist das sehr traurig", sagte Berlins Regierender Bürgermeister.

Wowereits Parteikollegin Hannelore Kraft wirft Westerwelle vor, in seiner Panik über den Umfrageabsturz "den Verstand und den Anstand" zu verlieren. "Wer so wie Herr Westerwelle über die Schwächsten der Gesellschaft herzieht, ist ein politischer Brandstifter", sagte Kraft. Die FDP beschreite "eiskalt den schwarz-gelben Weg in die Dumpinglohn-Gesellschaft".

Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident und frühere SPD-Chef Kurt Beck forderte Westerwelle auf, sich bei Hartz-IV-Empfängern zu entschuldigen. Dessen Äußerungen seien "empörend", sagte Beck im ZDF. "Wer so etwas sagt, hat die Lebensrealität der Menschen völlig aus dem Auge verloren. Ich finde, da ist eine Entschuldigung fällig."

"Jetzt lässt Westerwelle die Maske fallen"

Die Grünen-Fraktionschefin Renate Künast sprach in der Passauer Neuen Presse (PNP) von einer "Beleidigung für Millionen Langzeitarbeitslose". Der Fraktionsvorsitzende der Linken, Gregor Gysi, forderte, das Existenzminimum müsse künftig ohne Demütigung und Repression gewährt werden. "Was gehört dazu? Essen und Kleidung natürlich, aber das ist nicht alles", sagte Gysi der Berliner Zeitung.

Sozialleistungen seien "keine Gnadengabe, sondern Verpflichtung eines demokratischen Rechtsstaats, der die Menschenwürde garantiert", erklärte Verdi-Chef Frank Bsirske in der PNP. "Jetzt lässt Guido Westerwelle die Maske fallen."

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