Wortwörtlich - Koydls kleines Lexikon:Vom Muh der Kuh

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Welchem Kaiser die Menschheit Margarine verdankt, warum die Begriffe Klaue und die Seuche urgermanisch sind und wie das Auktionshaus eBay eigentlich heißen sollte - die etymologische Wochendosis.

Wolfgang Koydl

Zu den Namen, deren Herkunft mitunter schwierig zu rekonstruieren ist, gehören Bezeichnungen von Firmen und Produkten. Dabei spielt es keine Rolle, wie lange das Unternehmen schon existiert.

"Muh", macht auch diese französische Kuh (Foto: Foto: AP)

Für den Internet-Buchhändler amazon beispielsweise, der die Wandlung zum Online-Supermarkt ankündigte, gibt es zwei Deutungen. Nach der ersten Variante wählte Gründer Jeff Bezos einen Namen mit einem "A", weil die Suchmaschine Yahoo seinerzeit Einträge alphabetisch auflistete und er ganz vorne dabei sein wollte.

Ursprünglich wollte er seinen Bookshop Cadabra.com nennen. Eine andere Theorie besagt, dass Bezos den Amazonas im Sinne hatte: Vom Vertrieb der Bücher durch das Net versprach er sich ein ähnlich hohes Verkaufsvolumen wie die Wassermenge des wasserreichsten Stroms der Welt.

Der Amazonas selbst ist vermutlich nach den kriegerischen Amazonen benannt. Die ersten europäischen Entdecker sahen an seinen Ufern kämpferische Indio-Frauen und fühlten sich an diese Kriegerinnen erinnert.

Eine falsche, aber dafür besonders hübsche Etymologie fiel türkischen Sprachforschern in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts ein, die beweisen wollten, dass alle Weltsprachen aus einem Ur-Türkisch entstanden. Danach war es ein Turk-Sprecher, der als erster des Amazonas ansichtig wurde und beeindruckt auf Türkisch ausrief: Ama uzun - der ist aber lang.

Weniger geheimnisvoll geht es beim Online-Auktionator eBay zu, der letzthin ins Trudeln geraten ist. Pierre Omidyar, der Gründer der Firma, hatte eine Consulting-Firma mit dem Namen Echo Bay Technology Group. Weil das "cool klang", wollte er den Namen für die Versteigerungs-Site behalten - was jedoch am Einspruch der Goldbergwerkbetreiber Echo Bay Mines Ltd. Scheiterte - eBay war nur die zweitbeste Variante.

Viele Firmen tragen stolz und schlicht den Namen ihrer Gründer. Für Knorr - ein Produkt der Unilever-Gruppe, die drastische Stellenkürzungen angekündigt hat - stand Carl Heinrich Knorr aus Meerdorf bei Braunschweig Pate, der 1838 Zichorien trocknete und mahlte, um daraus Ersatzkaffee zu machen.

Von hier war es ein kurzer Schritt zu Tütensuppe und Suppenwürfel. Der krisengeschüttelte amerikanische Autobauer Chrysler hingegen, der schon wieder einen neuen Chef erhielt, wurde von dem ehemaligen Lokomotivführer Walter Percy Chrysler aus Kansas gegründet. Seine Vorfahren stammten aus Deutschland und könnten weitläufig mit dem Geiger Fritz Kreisler verwandt gewesen sein.

Sehr viel länger gibt es schon die gute Rama, die ebenfalls zum Unilever-Konzern gehört. Auf den ersten Blick könnte es sich um eine Abkürzung handeln oder gar um eine Hindu-Gottheit. Doch als die Margarine-Marke 1924 auf den Markt gebracht wurde, hieß sie noch Rahma, um Assoziationen an rahmige Butter zu wecken.

Später wurde das "h" gestrichen - um Verwechslungen mit rahmiger Butter auszuschließen. Die Margarine, nebenbei bemerkt, verdankt ihre Existenz dem französischen Kaiser Napoleon III., der einen Preis von 100.000 Goldfranken für die Entwicklung einer Alternative zur Butter aussetzte. Gewinner war ein gewisser Hippolyte Mege-Mouries, der auch gleich das Kunstwort für sein Produkt erfand - aus dem griechischen margaron = Perle, wegen der schimmernden Oberfläche, und glycerine für den Fettalkohol.

Butter aus britischer Herstellung wird es so bald nicht geben, seitdem auf einer Farm in England Maul- und Klauenseuche festgestellt wurde. Es ist ein kerniger Begriff für diese Krankheit, und noch urtümlicher wird er, wenn man weiß, dass das Maul auf eine der ältesten Lautäußerungen menschlicher Zungen zurückgeht: Das Muh, mit dem das Geräusch einer Kuh nachgeahmt wurde.

Daraus entwickelte sich im Griechischen myllon - die Lippe und das Verb myein - sich schließen - die Wurzel des Wortes Mysterium. Anders ausgedrückt: Wenn man das Maul hält, ist es ein Geheimnis.

Auch die Klaue und die Seuche haben alte germanische Wurzeln - und daher überraschende Verwandte. Aus dem germanischen Stamm g-len = zusammendrücken, ballen entwickelte sich auch der Klotz, der Kloß und das Knäuel.

Unter einer Seuche wiederum leidet jemand, der dahinsiecht. Im Englischen ist sick = krank gebräuchlich; im Deutschen ist siech so gut wie ausgestorben.

Dafür gibt es die Sucht, die aus derselben Familie stammt und die den Rückschluss erlaubt, dass unsere Vorfahren schon wussten, was die moderne Medizin erst vor kurzem festgestellt hat: Wer süchtig ist, ist oft nicht einfach willensschwach, sondern krank.

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