Wortwörtlich - Koydls kleines Lexikon:Barack und seine Nähe zum Papst

Obama, Giuliani und Huckabee: Die Vorwahlen in den USA, die mit dem Caucus in Iowa in eine heiße Phase begonnen haben, sind eine wahre Fundgrube für Wolfgang Koydls etymologischen Wochenrückblick.

Als Zitatenmaschine kann es der britische Kriegspremier Winston Churchill mit Shakespeare oder Schiller aufnehmen. "Das ist nicht das Ende", verkündete er einmal. "Das ist noch nicht einmal der Anfang vom Ende. Aber vielleicht ist es das Ende des Anfangs."

Wortwörtlich - Koydls kleines Lexikon: Barack, der Gesegnete: Der demokratische Bewerber hat - zumindest namentlich - ein gewisse Nähe zu unserem Papst.

Barack, der Gesegnete: Der demokratische Bewerber hat - zumindest namentlich - ein gewisse Nähe zu unserem Papst.

(Foto: Foto: AFP)

Churchill meinte die Wende im Krieg nach dem Sieg der Briten bei El Alamein; aber die Worte könnten genauso gut auf den amerikanischen Wahlkampf zutreffen, der nach mehr als zwölfmonatiger Vorbereitung mit dem Caucus in Iowa in eine erste von zahlreichen heißen Phasen eingetreten ist.

Es ist die einzige Gelegenheit, wo der unauffällige Bundesstaat Schlagzeilen macht. Iowa hat zwar große Söhne hervorgebracht: Glen Miller, Buffalo Bill Cody, TV-"Superman" George Reeves, den Vater der Meinungsforschung George Gallup und nicht zuletzt einen gewissen Marion Morrison, der seinen Namen klugerweise in John Wayne änderte. Aber keiner redete gern über seine Heimat. Niemand möchte aus Iowa kommen, urteilte der aus der Hauptstadt Des Moines stammende Bestsellerautor Bill Bryson. Aber irgendwer muss ja dort geboren werden.

Französische Entdecker waren die ersten Weißen, welche die grenzenlose Prärie zwischen Mississippi und Missouri bereisten. Sie gaben dem Territorium den Namen Ioway, von dem sie vermuteten, dass es der Name der hier siedelnden Indianernation war. Die nannten sich freilich selbst Baxoje, was so viel bedeutete wie grauer Schnee. Die Franzosen mussten etwas missverstanden haben. Mit Iowa bezeichneten die Baxoje offenbar eine Kürbisart.

Indianischer Herkunft ist auch der Caucus, in dem die Iowans die Präsidentschaftskandidaten bestimmen. Das Wort stammt aus der Algonkin-Sprachfamilie, die im Nordosten Nordamerikas verbreitet war. Caucauasu war ein Ratgeber und wäre daher nicht weit entfernt von der Wahlempfehlung eines Caucus. Der Algonkin-Sprache verdanken wir übrigens eine ganze Reihe von Wörtern, ohne die Karl May nie seinen Winnetou hätte schreiben können: den Tomahawk und den Totem-Pfahl, den Wigwam und die Squaw, die Mokassins und den stinkenden Skunk.

Iowa ist die erste und letzte Vorwahl, bei der noch alle Kandidaten antreten. Manche, die hier vom Wähler abgewatscht werden, werfen dann das Handtuch. Das wird freilich nicht für die Favoriten bei den Demokraten und den Republikanern gelten: Hillary Clinton und Barack Obama, Rudy Giuliani, John McCain, Mike Huckabee und Mitt Romney dürften mehr Standvermögen - und Geld in der Kasse - besitzen, um weiterzukämpfen.

Manche Kandidaten sind namenstechnisch für einen Sieg im November geradezu prädestiniert. Dazu gehört die einzige Dame im Wettbewerb: Glinton ist ein Ort in der englischen Grafschaft Cambridgeshire. Er liegt auf einem Hügel, und ursprünglich beschrieb clinton eine Siedlung auf einer Anhöhe, von der aus die Bewohner auf andere herabblicken konnten. Schon um das Jahr 1125 ist ein William de Clintona in England verbürgt, und auch in den USA haben die Clintons würdige britische Vorfahren: Admiral George Clinton war britischer Gouverneur von New York, sein Sohn Henry Clinton führte die britischen Truppen in Nordamerika.

Der Vorname Hillary freilich passt wenig zum kalten und berechnenden Auftreten von Mrs. Clinton: das griechische ilarion bedeutete soviel wie heiter und fröhlich. Wer in Hillary Clinton ein Mannweib sieht, findet sich indes gerechtfertigt: Hillary ist einer jener englischen Vornamen, die Frauen ebenso tragen können wie Männer.

Noch mehr präsidiale Ambitionen könnte New Yorks Ex-Bürgermeister Rudy Giuliani von seinem Nachnamen ableiten: Oberflächlich betrachtet kommt er vom italienischen Vornamen Giuliano. Doch bei den Giuliani handelt es sich um ein ganzes Geschlecht von Giulianos. Im alten Rom waren dies die Julier - eine der einflussreichsten Familien der Republik. Ihr bedeutendster Vertreter war zu seiner Zeit der mächtigste Mann der Welt: ein gewisser Gaius Iulius Cäsar. Zumindest den Haarstil teilt sich Rudy Giuliani mit ihm.

Bei keinem anderen ergänzen sich Name und Vita besser als bei dem Vietnam-Veteranen John McCain. Dass die gälische Vorsilbe mc soviel bedeutet wie "Sohn von" ist bekannt (das irische O bei O'Neill oder O'Donnell andererseits beschrieb einen Enkel Neills oder Donnells). Cain ist die anglisierte Form des gälischen Wortes cathan = der Krieger. McCain ist mithin der Sohn eines Kriegers - was zutrifft, den sowohl sein Vater wie sein Großvater waren Admiräle. Eine andere Schreibweise ist McCann - so dass der republikanische Senator weitläufig mit den Eltern der entführten vierjährigen Madeleine verwandt ist.

Imageprobleme mit seinem Namen hatte Barack Husain Obama: der Nachname erinnerte die Amerikaner an Osama bin Laden, der mittlere Name an Saddam Hussein, und auch der Vorname klang vage nahöstlich. Letzteres stimmt, ist aber nur die halbe Wahrheit: die Konsonantenwurzel b-r-k ist semitischen Ursprungs und daher nicht nur im Arabischen sondern auch im Hebräischen daheim. Sie steht für gesegnet und findet sich im Nachnamen eines ägyptischen Staatspräsidenten ebenso wieder wie im Vornamen eines holländischen Philosophen: Husni Mubarak ist ebenso ein Gesegneter wie es Baruch Spinoza war. Obama braucht sich auch ansonsten nicht für seinen Namen zu schämen, schließlich ist sogar der Papst ein Barack. Benedikt ist nur die lateinische Version.

Namensprobleme anderer Art hat der Ex-Gouverneur von Arkansas Mike Huckabee, dem unterstellt wurde, dass sein Nachname zu lächerlich klinge für einen amerikanischen Präsidenten. Die Kritiker haben freilich ihre Hausaufgaben nicht gemacht. Oder vielleicht ist es nur die ungewöhnliche Schreibweise. Denn als Huckerby ist der Name in der englischsprachigen Welt keine Rarität. Seine Träger sind alle letztlich Nachkommen von Männern aus dem Dörfchen Uckerby im Norden der englischen Grafschaft Yorkshire. Die Nachsilbe -by = Dorf deutet auf eine skandinavische Gründung hin, und auch ukkr sollte einst einen ungestümen Wikinger beschreiben. Zur brandenburgischen Uckermark freilich gibt es keine Verbindungen: die ist slawischen Ursprungs und hat dieselben Wurzeln wie die Ukraine - ein Ort u kraijina, an der Grenze.

Im Vergleich dazu tragen die Kandidaten Fred Thompson, John Edwards, Ron Paul oder Bill Richardson sterbenslangweilige Allerweltsnamen: Söhne eines Thomas, Edward, Paul oder Richard gibt es wie Sand am Meer. Nicht Sand, sondern Schlamm am Meer klingt beim Ex-Gouverneur von Massachussetts, Mitt Romney an: die Romney-Marsch nahe dem gleichnamigen Hafenstädtchen ist eine Landschaft an der Küste von Kent. Etymologisch betrachtet wäre dies unter Umständen ein unglücklicherer Name für einen US-Präsidenten als Huckabee.

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