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Women's March in Washington:Demonstranten gegen Trump: Das fürchten sie, das hoffen sie

Millionen Menschen gehen in den USA gegen die Politik des neuen Präsidenten auf die Straße. Was denken die Anti-Trump-Demonstranten über die politische Lage ihres Landes? Acht Schnappschüsse.

Protokolle von Johannes Kuhn und Beate Wild, Washington

Es ist ein erstes deutliches Signal an den neuen US-Präsidenten: Geschätzt zwei Millionen Menschen zogen am Samstag durch die Straßen amerikanischer Städte, um gegen Donald Trumps politische Vorstellungen zu demonstrieren. Die größte Menschenmenge kam in Los Angeles zusammen (750 000), in New York gingen 600 000 Bürger auf die Straße.

Zum zentralen "Women's March" in der Hauptstadt Washington kamen offiziellen Angaben zufolge 500 000 Menschen. Acht von ihnen erzählen hier, was sie für die Trump-Ära erwarten und wie sie persönlich betroffen sind.

"Ich arbeite mit EInwandererfamilien: Die Angst ist real"

Vanessa Leon, 29 (Washington DC): "Es ist gerade eine gruselige Zeit für dieses Land. Es kommt mir vor, als würde alles rund um soziale Gerechtigkeit unter Beschuss stehen. Trump hat immer lautstark über die vergessene weiße Arbeiterklasse geredet. Aber die farbige Arbeiterklasse wurde doch schon immer vergessen. Es ist heuchlerisch: Trump ignoriert einen Teil derjenigen, für die er sich angeblich einsetzen möchte, und umwirbt nur Weiße.

Ich bin Sozialarbeiterin und arbeite mit vielen Einwandererfamilien. Die Angst ist real: Bei Kindern, die hier sehr jung hergekommen sind und keine Aufenthaltsgenehmigung haben. Bei Eltern, die keine Papiere haben, aber deren Kinder Staatsbürger sind. Sie sorgen sich, abgeschoben zu werden.

Trumps Vereidigung war surreal. Alle meine Freunde sind immer noch etwas unter Schock nach der Wahl. Als jemand, der einmal Kinder möchte, habe ich Angst, dass wir die Hoffnung auf eine gute Zukunft verlieren. Die vergangenen Monate waren eine Trauerphase, aber die Trauer wird uns nicht zum Schweigen bringen. Ob du mit einer Million Menschen zusammenkommst oder deinen Nachbarn unterstützt, ist egal: In den kommenden vier Jahren wird alles helfen."

"Dieses quälende Gefühl, dass ich nicht mehr sicher bin"

Vic Chahil, 50 (Charlotte, North Carolina): "Meine Frau und ich sind sechs Stunden aus Charlotte hergefahren, weil in letzter Zeit viele Teile der Bevölkerung an den Rand gedrängt worden sind. Ich habe oft hasserfüllte Dinge aus dem Mund des neuen Präsidenten gehört und mache mir Sorgen. Nicht so sehr, dass die Regierung Probleme macht, sondern dass Menschen Trumps Worte als Ermutigung auffassen: als Aufforderung, diejenigen zu diskriminieren, die nicht aus einer bestimmten Bevölkerungsgruppe stammen. So zu tun, als würden sie nicht hierher gehören.

Viele Punkte, die Trump anspricht, halte ich für wichtig: Dass wir mehr dafür tun müssen, unsere Jobs hier zu schützen. Wir haben Regeln für Menschen, die hierher kommen und arbeiten wollen, aber keine gegen den Export von Jobs. Ich führe ein Geschäft und finde, dass die Steuern sehr hoch sind. Aber wenn Trump Hass anstachelt, dann habe ich das Gefühl, dass es hier... ich will nicht übertreiben, aber es fühlt sich eben so an: Dass sich eine zweite Nazi-Bewegung entwickelt. Ich bin nicht politisch aktiv, lebe ruhig und führe mein IT-Geschäft. Aber es gibt dieses quälende Gefühl, dass ich nicht mehr sicher bin.

Ich bin im Norden Indiens geboren und lebe viele Jahrzehnte hier. Damals habe ich mich in vollem Bewusstsein dafür entschieden, amerikanischer Staatsbürger zu werden. Ich werde nicht verschwinden, sondern mithelfen, das Land besser zu machen. Ich trage meinen Turban normalerweise nicht - daheim ist das in einigen Gegenden problematisch. Aber heute will ich genau so als Teilnehmer gezählt werden. Es macht mich optimistisch, dass ich hier durch die Menschenmasse gehe und niemand mich krumm anguckt. Unser Land ist noch lange nicht den Bach runtergegangen."

"Ich hoffe, dass Amerikaner wieder eine Einheit werden"

Natalie Enfante, 23 (New York): "Frauen haben das Recht, schwanger zu werden, wann sie wollen und auch eine Schwangerschaft abzubrechen. Der Zugang zu bezahlbarer Empfängnisverhütung und das Recht, als Frau seine Zukunft in Sachen Familienplanung selbst in die Hand zu nehmen, das ist mir wichtig. Viele Bundesstaaten in den USA wollen Abtreibung am liebsten komplett verbieten.

Ich finde es schlimm, dass die Republikaner die Finanzierung für "Planned Parenthood" [Anm. d. Red.: eine Organisation, die mittellosen Frauen gynäkologische Beratung und kostengünstige Behandlung anbietet] streichen wollen. Wenn sie auch noch Obamas Gesundheitsreform abschaffen, gibt es keine Finanzierungshilfen für Empfängnisverhütung. Das beschränkt Frauen ziemlich. Ich kann auch verstehen, wenn Frauen gegen Abtreibung sind. Das ist völlig in Ordnung, aber jede Frau soll das für sich selbst entscheiden können.

Mir wird mulmig, wenn ich an die kommenden vier Jahre denke. Ich hoffe wirklich, dass die Amerikaner wieder eine Einheit werden und sich nicht gegenseitig für ihre Lebensentscheidungen verurteilen. Meine Schwester hat für Trump gestimmt. Interessanterweise ist sie selbst eine Migrantin. Es war eine Bauch- und keine Kopfentscheidung. Aber das ist völlig in Ordnung."

"Die Zukunft sieht nicht mehr so verheißungsvoll aus"

Wanda Thomas, 49 (Bundesstaat Maryland): "Auf meinem Weg hierher habe ich mich mit Freunden unterhalten. Wir alle machen uns Sorgen, was mit Obamas Gesundheitsreform passiert. Hoffentlich wird sie mit etwas Vernünftigem ersetzt, dass wir nicht unversichert dastehen. Ich selber arbeite im Bildungsbereich und wenn Trump hier kürzt, wird das mein Gebiet auch betreffen. Wenn sich die Eltern die Ausbildung ihrer Kinder nicht mehr leisten können, hat das Folgen für das ganze Land.

Trump hat in seiner Antrittsrede wieder mal so getan, als seien die USA in einer ganz schlimmen Lage. Er hätte lieber erwähnen sollen, dass die Mehrheit der Amerikaner nicht für ihn gestimmt hat und dass er sich jetzt darum bemühen will, diese Lücke zu schließen. Davon habe ich aber nichts gehört. Deshalb ist es wichtig, dass wir nicht aufhören, für unsere Rechte zu protestieren und unseren Volksvertretern zeigen, wie wir zu den Themen stehen.

Meine Freunde und ich befürchten natürlich, dass sich die Situation für uns Afroamerikaner und für die Latinos verschlechtert. Auch meine weißen Freunde haben davor Angst. Die Zukunft sieht nicht mehr so verheißungsvoll für uns aus wie wir noch vor ein paar Jahren dachten."

"Ich bin gegen alles, für das Donald Trump steht"

Peter Garafola,63 (Virginia): "Ich bin gegen alles, für das Donald Trump steht und halte ihn nicht für qualifiziert. Er ist der Präsident, aber ich wollte hier bei der Demonstration gezählt werden als einer der Menschen, die seine Politik nicht unterstützen. Ich mache mir Sorgen, dass das, was Trump repräsentiert, gerade auf dem aufsteigenden Ast ist und es sehr schlimme Folgen haben wird.

Die Menschen müssen den Mund aufmachen, Gruppen unterstützen, die ihre Ideen vertreten. Und wählen. Die Demokraten sollten nicht alles blockieren, wie es die Republikaner die vergangenen acht Jahre gemacht haben. Wenn etwas mit ihren Prinzipien übereinstimmt, sollten sie Gesetze unterstützen. Wenn nicht, dann sollten sie dagegen arbeiten.

Ich weiß nicht, wie eine Brücke zwischen beiden Lagern aussehen könnte. Die Fakten sprechen für eine progressive Agenda; dafür, dass es ein Gemeinwohl gibt und die Regierung eine Rolle darin hat, es zu fördern. Die Privatwirtschaft kann das nicht erledigen, der freie Markt alleine regelt die Dinge nicht. Wir müssen diese Fakten den Menschen objektiv präsentieren und überzeugen, von der Graswurzelbewegung zur höchsten politischen Ebene."

Samantha Gentrop, 40 (Sarasota, Florida): "Ich bin mit meiner Mutter und meinen Töchtern extra aus Florida angereist. Wir wollen nicht, dass Männer Frauen wie Objekte behandeln. Als wären wir in den 1950ern und Frauen könnten wieder begrapscht werden. Wir wollen Respekt für alle Frauen auf diesem Planeten, wir wollen das Recht haben, über unseren eigenen Körper zu entscheiden.

Ich arbeite als Lehrerin. Meine Aufgabe ist es, dass alle Kinder Zugang zu guter und kostenloser Bildung erhalten, egal aus welcher Familie sie stammen. Betsy DeVos, die neue Bildungsministerin, will Privatschulen und dafür öffentlichen Schulen die Finanzierung streichen. Das ist doch keine Lösung. Statt die öffentlichen Schulen fallen zu lassen, sollte man sie verbessern. Meine Siebt- und Achtklässler wissen übrigens, dass es den Klimawandel gibt. Trumps Anhänger halten ihn für einen Scherz, obwohl die Wissenschaft sich einig ist.

Dieser Protestmarsch hat mein Vertrauen in unser Land wieder gestärkt. Es sind sogar Menschen auf die Straße gegangen, die zuvor noch nie in ihrem Leben demonstriert haben. Wir müssen die ganze positive Energie von hier mitnehmen, damit weitermachen und auch auf die lokale Ebene bringen.""

"Traumatisierung im Bekanntenkreis"

Margo Candelaria, 43 (Maryland): "Die vergangenen Monate waren sehr hart. Wir dachten alle, dass das Land bereits weiter ist. Ich bin Psychologin und forsche zum Thema Geistesgesundheit. Die Rhetorik und der Sexismus Trumps war für manche Menschen traumatisierend, ich erkenne diese Traumatisierung selbst in meinem Bekanntenkreis. Es ist schockierend, dass so viele Wähler seine Aussagen als akzeptabel genug für das höchste Staatsamt sahen. Die Demonstranten sind aus unterschiedlichen Gründen hierher gekommen, ich hoffe, dass jetzt Menschen stärker aktiv werden. Dass sie sich wehren und Trump von seinen Ideen nicht viel umsetzen kann. Dann sieht die Sache in vier Jahren anders aus."

"Ich bin nicht zur Wahl gegangen. Jetzt mache ich mir Vorwürfe"

Jennifer Brock, 33 (Virginia): "Ich bin dieses Mal nicht zur Wahl gegangen. Ich dachte nicht, dass es soweit kommt und Trump gewinnt. Hätte ich das nur vorher gewusst. Jetzt mache ich mir natürlich Vorwürfe. Und ich glaube, dass es viele Demokraten nicht gewählt haben, weil sie dachten, der Wahlsieg von Hillary sei eine sichere Sache. Das wird mir sicher nie wieder passieren.

Die vergangenen drei Wochen haben mich aufgerüttelt. Trumps Kabinett-Auswahl, seine Entscheidungen, der Umgang mit den Medien. Ziel des Protests ist für mich, dass Trump endlich einmal aufhört, von sich selbst zu reden, und anfängt, den Bürgern zuzuhören. In seiner Antrittsrede hat er gesagt, dass er den Menschen die Macht zurückgeben will. Nur wie will er das machen, wenn er ihnen nicht zuhört?

Ich arbeite im Gesundheitswesen und mache mir Sorgen, dass die Republikaner Obamas Reformgesetze auf einen Schlag abschaffen, ohne eine gut durchdachte Alternative zu haben. Ein gutes Gesetz in diesem Bereich braucht Zeit.

Die amerikanischen Institutionen sind so entworfen worden, dass sie uns vor jemanden wie Trump schützen. Das werden wir ja jetzt erleben, ob es funktioniert."

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