Wolfgang Wendland von den Kassierern:Punk-Sänger will Bürgermeister von Bochum werden

Lesezeit: 2 Min.

Wolfgang Wendland von der Punk-Band "Die Kassierer" (Foto: imago/biky)
  • Wolfgang "Wölfi" Wendland, Sänger der Satire-Punkband Die Kassierer sammelt Unterschriften, um in Bochum für das Amt des Oberbürgermeisters zu kandidieren.
  • Er verspricht keine Anarchie, sondern mehr Transparenz in den Stadtfinanzen und mehr Bürgernähe.

Von Jannis Brühl, Köln

Mit Transparenz kennt sich Wolfgang Wendland aus, schließlich entkleidet er sich regelmäßig in der Öffentlichkeit. Der Sänger der Punkband "Die Kassierer", liebevoll "Wölfi" genannt, trägt dann auf der Bühne meist nichts außer Mikrofon, Bierflasche und imposanter Wampe. Diese Offenheit soll jetzt die Bochumer Lokalpolitik bereichern. "Wölfi" will als parteiloser Kandidat Oberbürgermeister werden.

Seit 30 Jahren singt Wendland mit seiner Band möglicherweise nicht hundertprozentig ernst gemeinte Lieder wie "Das Schlimmste ist, wenn das Bier alle ist", "Blumenkohl am Pillemann" oder "Im Sauerland kann man teleportieren". Mit dieser Mischung aus Satire und Anarchismus ist der 52-Jährige vor allem im Ruhrgebiet zur Ikone geworden.

Seinen Versuch, der scheidenden Oberbürgermeisterin Ottilie Scholz (SPD) nachzufolgen, meint er wohl ernst. Das Wahlbüro der Stadt Bochum bestätigt, dass Wendland einen Wahlvorschlag eingereicht hat. Bis Ende Juli braucht er 420 Unterschriften von Bochumern über 16 Jahren. Dann kann er zur Oberbürgermeisterwahl am 13. September antreten.

Anruf bei Wendland. Montag, elf Uhr, im Hintergrund kräht der Wecker. Über Punk will er nicht reden, sondern über Lokalpolitik: "Ich fand das immer sehr traurig, dass das so absehbar ist, wer aufgestellt wird, wer gewählt wird. Das hat wenig mit Demokratie zu tun." In Bochum regiert die SPD seit 1946, mittlerweile mit den Grünen. Einziger Kandidat für Scholz' Nachfolge ist bisher der Sozialdemokrat Thomas Eiskirch. Die Grünen wollen noch jemanden ins Rennen schicken, wissen aber noch nicht wen. Die CDU hat ebenfalls noch niemanden für die wohl aussichtslose Kandidatur bestimmt. Eine Chance hat Wendland wahrscheinlich auch nicht. In manchen linken Kreisen dürfte er aber zumindest bekannter sein als Eiskirch, der bisher im Landtag in Düsseldorf saß.

Wendland ist im Stadtteil Wattenscheid verwurzelt, sein Motto ist vor allem "mehr Transparenz": Er spricht von "Schattenhaushalten", mit der städtische Unternehmen trotz Haushaltssperre der klammen Stadtverwaltung als Sponsoren bei fragwürdigen Großveranstaltungen auftreten könnten. Als OB würde er mehr Themen öffentlich debattieren lassen, sagt er, damit Bochums Bewohner Einfluss nehmen könnten. In Wendlands Worten: "Man muss den Bürgern die Möglichkeit geben, zu sagen: 'Das ist scheiße.'"

Wendlands Unterstützer haben eine Social-Media-Offensive gestartet. Seine Facebook-Wahlkampfseite hat binnen weniger Tage mehr als 5000 Likes gesammelt. Dort werden die Bochumer auch gefragt, um welche Themen sich Wendland kümmern solle. Fans werben für Unterschriften und kreieren in Blogs schon virtuell Wahlplakate mit Slogans wie: "Mehr Ouzo bei Netto - Aufstehen muss sich wieder lohnen".

"Ich wollte mit der Politik abschließen"

Wendland ist kein Neuling in der Politik, wenn auch früher eher der Klamauk im Vordergrund stand. Erst war er in der Anarchistischen Pogo Partei Deutschlands, dann in deren Abspaltung, der Pogoanarchistischen Pogo-Partei, für die er 2009 für die Europawahl kandidierte. In dieser Funktion setzte er sich auch mal mit einem "Arbeit ist Scheiße"-T-Shirt in eine Nachmittags-Talkshow und sagte Sätze wie: "Die Tendenz im Punkrock geht immer mehr zur Eigentumswohnung." ( Zum Video)

Seit einigen Jahren nimmt er Politik etwas ernster: Von 2009 bis 2014 saß er für die Linke in der Bezirksvertretung Bochum-Wattenscheid. Die Unterlagen aus dieser Zeit hatte er gerade entsorgt, erzählt er amüsiert: "Ich wollte mit der Politik abschließen." Doch Freunde überredeten ihn, gegen Eiskirch zu kandidieren. Das sei erst eher ein Scherz gewesen, jetzt sei die Unterstützung aber groß, sagt Wendland: "Leute, die ich nicht kenne, stehen vor meiner Wohnungstür und drücken mir Unterschriften in die Hand." 70 der 420 benötigten Signaturen hat er nach eigenen Angaben zusammen.

Wendland weist genüsslich darauf hin, dass er dem Favoriten von der SPD ja etwas voraushabe: eine fertige Ausbildung. Denn Eiskirch habe sein Studium nie abgeschlossen. Wendland, der nach eigenen Angaben Medienvorlagenhersteller gelernt hat, sagt: "Das Risiko, ihn zu wählen, ist größer, als das, mich zu wählen." Man hört ihn übers Telefon feixen.

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