Süddeutsche Zeitung

Wolfgang Vogel tot:Der Anwalt zwischen den Welten

Der Ost-Berliner Anwalt Vogel war die letzte Hoffnung für Ausreisewillige aus der DDR - und für einige Spione. Nun ist er 82-jährig in Bayern verstorben.

Er fuhr im Kalten Krieg mit einem Mercedes in Goldmetallic über die Grenzen, als würden sie nicht existieren. Er war ein Wanderer zwischen den Welten, die der Eiserne Vorhang trennte, einer der wenigen Menschen, der auch in der Hoch-Zeit der Konfrontation zwischen Ost und West den Traum von Freiheit verwirklichen konnte - dank seiner Kontakte.

Wolfgang Vogel, DDR-Jurist mit Kanzleisitz in West-Berlin, war der Mann, der den ersten Agentenhandel des Kalten Krieges organisierte: An einem Februarmorgen 1962 wurden auf der Potsdamer Glienicker Brücke der über der Sowjetunion abgeschossene US-Spionagepilot Francis Gary Powers gegen den aufgeflogen KGB-Oberst Rudolf Abel getauscht.

Es folgten viele Deals dieser Art. Bis zum Fall der Mauer 1989 war Vogel in die Freilassung von 150 Agenten aus 23 Ländern involviert; auch der Kanzlerspion bei Willy Brandt, Günter Guillaume, fand so zurück in seine Heimat.

Auf Betreiben der Kirchen, des seinerzeitigen Ministers Rainer Barzel und des Verlegers Axel Springer betrieb er auch den sogenannten Häftlingsfreikauf - fast 34.000 Häftlinge der DDR wurden dank seiner Vermittlung durch die Bundesrepublik "freigekauft".

Einen besonders engen Kontakt entwickelte Vogel zum SPD-Politiker Herbert Wehner, der in der Großen Koalition (1966-1969) Gesamtdeutscher Minister geworden war. Insbesondere unter dem Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) intensivierten sich die Beziehungen; Schmidt nannte den Anwalt, mit dem er oft redete, "unseren Briefträger".

Vogel ermöglichte so die Ausreise von insgesamt 215.019 DDR-Bürgern im Wege der Familienzusammenführung.

Lebensabend am Schliersee

Er handelte dabei nach der von der DDR-Regierung vorgegebenen Devise "Menschliche Erleichterungen gegen harte D-Mark". Pro Häftling zahlte die Bundesrepublik von 1977 an rund 96.000 Mark. Auch spielte er 1989 eine wichtige Rolle bei den Vorgängen in der Prager Botschaft.

1985 wurde Vogel Professor an der SED-Kader-Hochschule für Recht und Verwaltung. Doch dann endete der Aufstieg Vogels durch die Ereignisse des Jahres 1989.

Nach der Wende wurde er zunächst Verteidiger des einstigen DDR-Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker, dem er früher als Beauftragter für humanitäre Fragen gedient hatte. Das Mandat legte Vogel aber bald nieder.

Nach der Wende kam der Anwalt selbst auf die Anklagebank. 1992 begannen Ermittlungen wegen des Verdachts der Erpressung. Der Vorwurf lautete, Vogel habe ausreisewillige DDR-Bürger unter Druck gesetzt, ihre Häuser an Günstlinge des SED-Regimes abzugeben. Ein Staatsanwalt sah in Vogel gar "den größten Menschenhändler unseres Jahrhunderts".

Die Gerichte folgten dem nicht. Nach neunjähriger Verfahrensdauer sprach ihn der Bundesgerichtshof endgültig frei. Vogel selbst stand zu dem, was er tat: "Meine Wege waren nicht weiß und nicht schwarz. Sie mussten grau sein."

Seinen Lebensabend verbrachte er zusammen mit seiner Ehefrau Helga am Schliersee in Oberbayern. Dort ist er am Donnerstag im Alter von 82 Jahren gestorben.

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