Wolfgang Schäuble:Alles für die Sicherheit

Mit einem wahren Trommelfeuer an sicherheitspolitischen Ideen erhitzt Bundesinnenminister Schäuble seit seinem Amtsantritt immer wieder die Gemüter. Ein Überblick über die wichtigsten und umstrittensten Forderungen.

Christoph Schäfer

Seit seinem Amtsantritt hat Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) nahezu jede Chance genutzt, um vor den Gefahren des internationalen Terrorismus zu warnen und für schärfere Sicherheitsgesetze einzutreten. Unter seinen Vorschlägen sind so befremdliche Forderungen wie die nach der gezielten Tötung von Terroristen oder dem Abschuss von Flugzeugen, die von radikalen Kämpfern als Waffe eingesetzt werden sollen. Ein Überblick.

Wolfgang Schäuble

Kann nicht erkennen, warum die meisten seiner Sicherheitsvorschläge scheitern: Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble

(Foto: Foto: ddp)

Gezielte Tötungen In einem Interview im aktuellen Spiegel plädiert Schäuble dafür, eine gesetzliche Regelung zu erarbeiten, um Terroristen töten zu können. Im Kampf gegen den Terrorismus seien die alten rechtlichen Kategorien nicht mehr passend, so Schäuble. Die Unsicherheiten reichten "bis hin zu Extremfällen wie dem sogenannten Targeted Killing", also gezielten Tötungen, für die eine präzise verfassungsrechtliche Regelung notwendig sei.

Abschuss von gekaperten Flugzeugen, die als Waffe genutzt werden sollen Erfolglos blieb Schäuble bisher ebenfalls mit seinem Ansinnen, Flugzeuge abschießen zu dürfen, die von Terroristen als Waffe benutzt werden. Das Bundesverfassungsgericht hatte ein entsprechendes Luftsicherheitsgesetz von Otto Schily (SPD) im Februar 2006 für verfassungswidrig erklärt. Die Richter sahen Artikel 1 des Grundgesetzes verletzt, der die Menschenwürde für unantastbar erklärt und eine Abwägung "Leben gegen Leben" verbiete.

Schäuble sieht nun als einzigen Ausweg, den Verteidigungsfall anders zu definieren. Allerdings braucht er hierfür die Zustimmung der Sozialdemokraten, die sich strikt dagegen sperren, die Grenzen zwischen innerer und äußerer Sicherheit aufzuweichen.

Unterbindungsgewahrsam für Gefährder Laut Schäuble muss sich der Staat überlegen, wie er mit potentiellen Terroristen - sogenannten Gefährdern - umgehen will, die nicht abgeschoben werden dürfen. "Kann man solche Gefährder wie Kombattanten behandeln und internieren?", fragte Schäuble. Zugleich erinnerte er daran, dass es beispielsweise für Fußball-Hooligans bereits ein vorbeugendes Einsperren gebe - den sogenannten Unterbindungsgewahrsam.

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Alles für die Sicherheit

Handy- und Internetverbot für potentielle Terroristen Nicht zuletzt schlug Schäuble in dem Spiegel-Interview vor, Gefährdern künftig zu verbieten, Handys oder das Internet zu benutzen und den Straftatbestand der Verschwörung einzuführen.

Handyverbot; Internetverbot

Werden die Ideen Schäubles umgesetzt, dürfen "Gefährder" künftig weder ein Handy noch das Internet benutzen

(Foto: Foto: ddp)

Spiel mit der Unschuldsvermutung Einen medialen Aufschrei erntete Schäuble für seine Überlegungen, dass die Unschuldsvermutung - eine der tragenden Säulen des Rechtsstaats - nur bedingt gelten könne, wenn es um den Schutz vor Terroranschlägen gehe. Eigentlich hatte Schäuble lediglich etwas Selbstverständliches artikuliert, nämlich, dass es bei der Gefahrenabwehr keine Unschuldsvermutung geben kann. Es liegt in der Natur der Sache, dass derjenige, der ein Verbrechen verhindern will, nach denjenigen Ausschau halten muss, die er für verdächtig hält. Doch durch die Art, wie Schäuble sich ausdrückte, musste der Eindruck entstehen, er wolle die Grenzen der Verfassung verschieben.

Aussagen von Gefolterten Aufsehen erregte der Bundesinnenminister auch durch seine Ankündigung, dass auch weiterhin Personen in ausländischen Gefängnissen befragt würden, in denen möglicherweise gefoltert werde. Die Verwendung von Informationen, die eventuell unter Folter erlangt wurden, sei zur Terrorabwehr weiterhin nötig.

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Bundeswehrsoldaten

Geht es nach Innenminister Schäuble, werden Bundeswehrsoldaten künftig auch im Innern eingesetzt.

(Foto: Foto: AP)

Einsatz der Bundeswehr im Innern Zu Schäubles Lieblingsprojekten zählt seine Idee, Bundeswehrsoldaten künftig auch im Innern einsetzen zu können. Bereits im Vorfeld der Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland betonte der Innenminister, wie nötig es sei, die Grundgesetzartikel 35 und 87a zu ändern. Auch kurz vor dem G-8-Gipfel in Heiligendamm und nach den gescheiterten Terror-Anschlägen in Großbritannien brachte Schäuble seine Vorstellungen wieder vehement in Erinnerung. Bislang jedoch ohne Erfolg: Die SPD verschanzt sich hinter dem Koalitionsvertrag, der eine Änderung des Grundgesetzes von einer gravierenden Verschlechterung der Sicherheitslage abhängig macht.

Geruchsproben Im Vorfeld des diesjährigen G-8-Gipfels geriet die Bundesanwaltschaft massiv in die Kritik, weil sie von linksextremistischen Gipfelgegnern Geruchsproben gesammelt hatte. Politiker von SPD, FDP, Grünen und der Linken verurteilten die Aktion. Der Innenminister aber, der nicht einmal für die Bundesanwaltschaft zuständig ist, verteidigte sie: Dies sei doch "ein rechtsstaatliches Verfahren".

Online-Durchsuchung von Computern Schon lange fordert der Bundesinnenminister, die Computer islamistischer Gefährder und potentieller Terroristen online durchsuchen zu dürfen. Fakt ist: Die Geheimdienste hatten aufgrund einer Dienstanweisung von Ex-Innenminister Otto Schily (SPD) bereits seit 2005 Computer ausgespäht. Der Bundesgerichtshof untersagte dies Anfang des Jahres wegen fehlender gesetzlicher Grundlagen.

Den Innenminister kann das nicht bremsen: Er schlägt nun vor, für die Online-Durchsuchungen das Grundgesetz zu ändern, "um rechtlich auf der sicheren Seite zu sein". In Artikel 13, der die Unverletzlichkeit der Wohnung regelt, soll künftig auch "die Datenerhebung mit technischen Mitteln" erlaubt werden.

Fingerabdrücke im Pass und bei den Einwohnermeldeämtern Nachgeben musste Schäuble ebenso beim Streit um die Reform des Passgesetzes. Anders als in seinem Entwurf sollen die in den biometrischen Pässen enthaltenen Fingerabdrücke nicht bei den Einwohnermeldeämtern gespeichert werden. Dies hätte eine zentrale Erfassung aller Fingerabdrücke für Fahndungszwecke ermöglicht - was erneut mit den Sozialdemokraten nicht zu machen war.

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