Naturschutz:Der Wolf und seine Gegner

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Die grüne Umweltministerin Steffi Lemke lädt zu einer "Dialogreihe Wolf". Sie soll das Problem angehen, ohne dem Tier zu sehr auf den Pelz zu rücken. (Foto: Sina Schuldt/DPA)

Im Streit um die Wildtiere sucht die Bundesregierung den Dialog. Doch viele Landwirte, Tierhalter und Jäger kennen nur ein Ziel: Wölfe möglichst zahlreich abzuschießen.

Von Michael Bauchmüller und Constanze von Bullion, Berlin

Für die einen ist er eine Kreatur wie aus bösen Träumen, für die anderen ein schutzbedürftiger Zeitgenosse: Der Wolf, einst Hauptdarsteller in Grimms Märchen und erbarmungslos bejagt, war in Deutschland längst ausgerottet. Heute genießen Wölfe national und international höchsten Schutz - und es wird Politik mit ihnen gemacht. In Bayern wird der Wolf in den Landtagswahlkampf eingespannt, in Berlin trieb er am Mittwoch Weidetierhalter und einen Jäger vor die Kameras. Denn seine Population wächst, wenn auch langsam. Und der Bauernverband würde sie gerne wieder schrumpfen lassen.

"Wir müssen nicht nur einzelne Wölfe, sondern ganze Rudel schneller und unbürokratisch entnehmen können", sagt dessen Generalsekretär Bernhard Krüsken. Entnehmen, das ist ein anderes Wort für den Abschuss. Erlaubt ist der nur, wenn ein Wolf mehrfach Nutztiere gerissen hat - nachweislich. Tierhalter finden diese Regelung zu bürokratisch. Die deutschen Entnahmeregeln seien "dysfunktional", sagt Krüsken. Die Bundesregierung setze auf Herdenschutz, Hütehunde und höhere Zäune, um Wölfe abzuwehren. Sie sitze die wachsenden Sorgen von Nutztierhaltern aus. Das müsse sich ändern, "sonst ist die Weiche gestellt Richtung Aus für die Weidetierhaltung".

Seit der Wolf im Jahr 2000 in Deutschland auftauchte, sorgt er für Streit

Aber Wölfe einfach so abschießen, um Schafe zu schützen? Das kommt für Steffi Lemke nicht in Frage. An diesem Donnerstag lädt die grüne Umweltministerin zum Auftakt einer "Dialogreihe Wolf". Sie soll das Problem angehen, ohne dem Wolf zu sehr auf den Pelz zu rücken. "Ein Abschuss von Wölfen zur Verringerung der Gesamtzahl ohne konkreten Anlass ist nach geltendem Recht nicht zulässig", sagt Lemke. Besser sei es, die Herden effektiv zu schützen. "Hier liegt einer der Schlüssel zu einer Koexistenz von Weidetierhaltung und Wolf." Zu den Forderungen aus der Bauernschaft äußert sich Lemke vorsichtshalber nicht. Sie will den Dialog nicht gefährden, noch ehe er begonnen hat.

Andere werden deutlicher. "Wölfe sind hochintelligent und geben ihr Wissen an ihre nachfolgenden Generationen weiter", sagt Sabine Firnhaber. Die Vizepräsidentin des Bauernverbandes Mecklenburg-Vorpommern züchtet selbst Schafe und Ziegen - und hält es für einen Irrweg, mit Herdenschutz und verstärkten Zäunen dem Wolf beikommen zu wollen. "Die Wölfe lernen ständig dazu und sorgen dafür, dass wir ständig Angriffe haben, obwohl wir unsere Tiere schützen", sagt Firnhaber. Weil der Staat den Tierhaltern hohe Kosten für solche oft nutzlose Barrieren aufbürde, fordere ihr Verband "die volle Kostenübernahme für die Herdenschutzmaßnahmen".

Rund 150 Jahre lang war der Wolf in Deutschland ausgerottet. Doch seit er im Jahr 2000 wieder hier auftauchte, sorgt er für Streit. Jeder Dialog ist schwer. Da wären etwa die Pferdehalter, die Angst um ihre Tiere auf der Koppel haben. Andere machen sich Gedanken über den Hochwasserschutz, schließlich grasen Schafe vielerorts auf den Deichen. "Niemand kann sagen, wie wir bei über 650 Kilometern Küste die Schafe vor Wölfen schützen können", sagt Helmut Dammann-Tamke, Präsident der Landesjägerschaft Niedersachsen. "Da sind wir blank."

"Wenn man von zehn Wölfen fünf erlegt, sind immer noch fünf da."

In Niedersachsen habe es allein 2022 über 7000 Hinweise auf Wölfe gegeben, sagt Dammann-Tanke. Abgeschossen worden seien aber nur zehn - der Bürokratie wegen. Die Vorschrift, wonach jeder "Problemwolf" per Gentest identifiziert werden müsse, führe zu niedrigen Entnahmequoten. Jäger müssten einen Abschuss auch mindestens acht Tage vorher bekannt geben. Wodurch "militante Wolfsschützer" in Wälder ausschwärmen und für so viel Unruhe sorgen könnten, "dass die Entnahme scheitern muss".

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Nicht jeder allerdings sieht im verstärkten Abschuss eine Lösung. "Wenn man von zehn Wölfen fünf erlegt, sind immer noch fünf da", sagt die SPD-Umweltpolitikerin Franziska Kersten. Und auch diese fünf seien potenziell eine Gefahr für Weidetiere. "Es führt also gar kein Weg daran vorbei, die Herden bestmöglich zu schützen - und das auch zu finanzieren." Auch müsse man sich mehr darum kümmern, Wölfe zu vergrämen - etwa, wenn sie sich Siedlungen nähern. Dadurch können sie lernen, dass sie sich von Menschen besser fernhalten.

Die Zahl der Wölfe in Deutschland steigt, aber nicht sehr schnell. 2021/22 wurden 161 Rudel gezählt, drei mehr als im Jahr zuvor. Nach Zahlen des Bundesamtes für Naturschutz ließen sich 1175 Wölfe nachweisen. Größter Feind der Population ist allerdings nicht der Jäger, sondern das Auto. Von 82 toten Wölfen, die allein in diesem Jahr bisher aufgefunden wurden, starben 60 im Straßenverkehr.

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