Wokeness:Aufgewacht im Kulturkampf

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Ein absoluter Wachmacher: Was liegt da näher, als ein Café "Woke Breakfast & Coffee" zu nennen? (Foto: noltelourens/imago images)

Ein kleines Café in Connecticut erzürnt Konservative mit seinem Namen. Dabei hatte "Woke Breakfast & Coffee" gar keine politischen Hintergedanken.

Von Kathrin Werner

Als Carmen Quiroga vor wenigen Wochen in das Städtchen Coventry im US-Bundesstaat Connecticut zog, fand sie sich inmitten eines Kulturkampfes wieder. Dabei ging es ihr gar nicht um Politik. Es ging ihr ganz einfach um leckeres Frühstück mit Eiern und vor allem um Kaffee, den guten Kaffee von der lokalen Rösterei. Kaffee, der wach macht.

Aufgewacht heißt auf Englisch woke. Darum nannte Quiroga ihr neues Café "Woke Breakfast & Coffee". "Wenn man morgens aufgewacht ist, denkt man doch zuerst an eine gute Tasse Kaffee", sagt sie. "Damit man richtig wach wird." An dem Wort "woke" gefiel ihr besonders das O in der Mitte. Ihr Sohn und sie gestalteten gemeinsam das neue Logo mit einem Spiegelei, in dem das Gelbe vom Ei das O darstellte. Familie Quiroga renovierte das weiße Holzhaus an der Main Street, hängte das neue Schild über die Fenster, ließ Speisekarten drucken. Es kostete sie Tausende Dollar, aber sie wurden rechtzeitig fertig für die Eröffnung am 19. Januar.

Was Quiroga nicht wusste: Das Wort woke hat sich im Englischen in den vergangenen Jahren zu einer Metapher entwickelt für das vermeintlich linksliberale Wachsein für alle sozialen und politischen Ungerechtigkeiten, etwa für Rassismus und Diskriminierung von Frauen und Transmenschen. Wokeness wurde erst zum Schlagwort des Widerstands, aber dann ganz schnell vor allem zur Beschimpfung für "woke Linke", die sich als moralisch überlegen aufspielen. Das Wort ist quasi der kleine Bruder des Begriffs Cancel Culture und längst auch in der deutschen Sprache angekommen.

Quiroga stammt aus Mexiko, ihr Englisch ist nicht perfekt. Sie arbeitete über Jahre hinweg in verschiedenen Restaurants, teils in Zwölf-Stunden-Schichten, zu Hause warteten die Kinder. Politik und Nachrichten, sagt sie, habe sie kaum verfolgt. Keine Zeit. Sie hatte zwar "Woke Coffee" und "Woke Restaurant" gegoogelt, aber da nur herausgefunden, dass der Name noch zu vergeben sei. Von Kulturkampf stand da nichts.

Als sie im Dezember von einer Nachbarstadt ins 12 000-Einwohner-Örtchen Coventry zog und die letzten Genehmigungen beantragte, wiesen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadtverwaltung vorsichtig darauf hin, dass Woke vielleicht nicht der beste Name sein könnte. Es gebe da eine Facebook-Gruppe, in der sich Widerstand gegen sie formiere. Quiroga rief die Facebook-Seite auf und fand: Boykottaufrufe. Protestpläne. Und sehr viele Schimpfworte. "Ich habe mir große Sorgen gemacht", sagt sie. Was, wenn sie ihr Frühstücksrestaurant eröffnet, aber niemand kommt? Sie überlegte, den Namen noch schnell zu ändern, aber dazu fehlte die Zeit und vor allem das Geld.

Doch dann kam alles anders. Die paar Leute, die Woke Coffee boykottierten, wurden ersetzt durch die, die den Laden explizit unterstützten. Bei Facebook rief der republikanische Ortsverband die wütenden Rechten zur Mäßigung auf: "Manchmal können Worte genau das bedeuten, was sie schon immer bedeutet haben." In den ersten Tagen standen die Menschen Schlange vor der Tür mit dem Woke-Schild, bald gingen Quiroga die Eier aus. Menschen schicken E-Mails und wollen T-Shirts, Tassen oder Taschen mit ihrem Logo bestellen. Sie will jetzt ein paar drucken lassen. "Wir sind zufrieden", sagt sie. "Aber so ganz verstehe ich das mit dem Wort woke immer noch nicht."

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