Süddeutsche Zeitung

Wohnungspolitik - Kiel:Nord-SPD verlangt offensivere Wohnungspolitik des Landes

Direkt aus dem dpa-Newskanal

Kiel (dpa/lno) - Die SPD hat die Landesregierung in Kiel zu verstärkten Anstrengungen in der Wohnungspolitik aufgefordert. Wohnen sei für viele Menschen zunehmend nicht mehr bezahlbar, sagte die Landtagsabgeordnete Özlem Ünsal der Deutschen Presse-Agentur. "Marktanspannung und Versorgungsengpässe treffen inzwischen auch mittlere Einkommensgruppen hart." Hinzu komme ein drastischer Wegfall von Sozialbindungen, der den Spielraum für eine aktive Belegungspolitik der Kommunen einschränke.

Ünsal stützt sich auf die Antwort des Innenministeriums auf eine Kleine Anfrage von ihr. Demnach ist der Bestand an Wohnungen mit Belegbindung im Zuge der Sozialen Wohnraumförderung seit 2017 um 2364 auf 46.768 gesunken. Zwar wurden deutlich mehr als 4000 neue Wohnungen genehmigt, aber es fielen in diesem Zeitraum auch 6701 aus der Belegungsbindung. Dies soll bis 2025 nach jetzigem Stand mit 7063 weiteren Wohnungen geschehen. "Besonders hart trifft es Ballungsräume wie Kiel, Lübeck oder das Hamburger Umland, wo bezahlbarer Wohnraum ohnehin knappe Mangelware ist", stellte Ünsal fest.

"Für uns ist die Wohnraumversorgung fester Bestandteil der Daseinsvorsorge", sagte die SPD-Wohnungsbau-Politikerin. "Gefordert ist deshalb eine offensive Wohnungspolitik, unterstützt durch eine effektive Wohnraumförderung." Die Landesregierung müsse die Bestände im gefördertem Wohnungsbau zügig ausbauen. "Sozialbindungen sind für die öffentliche Hand hier ein zentrales Steuerungsinstrument."

Das Abschmelzen von Wohnraum mit Sozialbindung muss nach Ünsals Auffassung gestoppt und kompensiert werden. "Hierfür müssen jährlich durch Neubau und Sanierung mindestens 5000 mit Belegbindungen versehene Wohnungen in angemessener Größe entstehen, damit der Bestand nicht weiter sinkt." Darüber hinaus müsse es für Investoren attraktiver werden, eine möglichst lange Belegbindung zu akzeptieren. Ein Koppeln der Förderhöhe an die Belegbindungsdauer könnte da Anreize bieten.

Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU) hatte im Mai im Gespräch mit der dpa behutsame Eingriffe in den Wohnungsmarkt befürwortet, um die Lage zu entschärfen. Sie verwies auch auf die Investitionen des Landes in den sozialen Wohnungsbau: "Wir versuchen, besonders auch für Menschen mit geringerem Einkommen über staatliche Förderung Wohnungen zur Verfügung zu stellen". In den letzten vier Jahren habe das Land dafür 780 Millionen Euro aufgebracht.

Mit 20 Millionen Euro unterstützt das Land in diesem und im nächsten Jahr das Schaffen von angemessenem Wohnraum für Menschen, die auf dem Markt besonders schlechte Chancen haben. Das Sonderprogramm zielt auf Wohnungslose, Frauen aus Frauenhäusern, aus der Haft entlassene Menschen sowie von Armut bedrohte Haushalte.

Der Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW) nannte die SPD-Aussage übertrieben, Wohnen sei für viele Menschen zunehmend nicht mehr bezahlbar. "Das geht an der schleswig-holsteinischen Realität weit vorbei", sagte Direktor Andreas Breitner. "Es hilft weder den Menschen, die eine Wohnung suchen, noch den Wohnungsunternehmen, die Lage am Wohnungsmarkt zu dramatisieren." Schleswig-Holstein habe in den vergangenen Jahren mit der Abschaffung der Mietpreis- und der Kappungsgrenze vieles richtig gemacht, äußerte Breitner, der von 2012 bis 2014 als SPD-Innenminister selbst für die Wohnungspolitik zuständig war.

Zudem zeige die Tatsache, dass das Land in den vergangenen vier Jahren fast 800 Millionen Euro in die Förderung des Wohnungsbaus investierte, dass die Landesregierung sich der Probleme auf dem Wohnungsmarkt bewusst sei. Der Anstieg der Neuvertragsmieten sei 2020 in Schleswig-Holstein mit durchschnittlich 2,9 Prozent auch deutlich geringer ausgefallen als im Jahr zuvor (4,9 Prozent). "Von Mietenexplosion oder Wohnungsnot zu sprechen, ist angesichts dieser Zahlen schlicht falsch", sagte Breitner.

Die monatliche Nettokaltmiete pro Quadratmeter für eine neu vermietete Wohnung liege derzeit im Durchschnitt landesweit bei 8,18 Euro. Die durchschnittliche Nettokaltmiete bei Bestandswohnungen sei deutlich niedriger. Bei den im VNW organisierten Wohnungsgenossenschaften und -gesellschaften seien im Durchschnitt 6,30 Euro pro Quadratmeter zu bezahlen. Allerdings müssten in nachgefragten Regionen wie Kiel, Lübeck, den Nordseeinseln und im Gürtel um Hamburg mehr bezahlbare Wohnungen errichtet werden.

© dpa-infocom, dpa:210712-99-347812/3

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-210712-99-347812
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
Direkt aus dem dpa-Newskanal