Wohnungsmangel:"Bezahlbares Wohnen ist ein ganz hohes Gut"

Wohnungsmangel: Jagd auf Wohnraum: Nicht nur im begehrten Münchner Glockenbachviertel müssen Bewerber Schlange stehen.

Jagd auf Wohnraum: Nicht nur im begehrten Münchner Glockenbachviertel müssen Bewerber Schlange stehen.

(Foto: Stephan Rumpf/SZ Photo)

Städtetagspräsident Lewe fordert mehr Rechte für Kommunen in der Wohnungspolitik. Sonst blieben Flächen ungenutzt und Schrottimmobilien zu lange stehen.

Interview von Roland Preuß, Berlin

An diesem Mittwoch trifft sich auf Initiative von Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) erstmals das "Bündnis für bezahlbaren Wohnraum" aus etwa 50 Vertretern von Bund, Ländern, Kommunen und Verbänden zum Auftaktgipfel in Berlin. Ziel ist es, etwa 400 000 zusätzliche Wohnungen in Deutschland zu bauen, um vor allem in Ballungsräumen etwas gegen Wohnungsmangel, hohe Mieten und hohe Immobilienpreise zu tun. Der Präsident des Deutschen Städtetags und Oberbürgermeister von Münster, Markus Lewe, erklärt, warum die Kommunen mehr Handlungsspielraum brauchen.

SZ: Herr Lewe, was kann eine Stadt machen, wenn es eine passende Baulücke oder sogar Areal in der Kommune gibt, der Eigentümer es aber nicht bebauen will?

Markus Lewe: Wir haben als Städte viele Instrumente, dann tätig zu werden. Allerdings hat sich gezeigt: Die Möglichkeiten, die die Städte in der Bodenpolitik haben, reichen nicht. Es muss wieder eine Balance hergestellt werden zwischen einer gemeinwohlorientierten Nutzung von Grundstücken und einer, die sich am Markt orientiert. Die Aufgaben des Wohnens für die Städte haben stark zugenommen. Würdiges und bezahlbares Wohnen ist nicht nur ein ganz hohes Gut für die einzelnen Menschen, sondern auch für den sozialen Zusammenhalt in der Gesellschaft. Es kommen mehr Zuwanderer, wie wir jetzt im Zuge des Ukraine-Krieges wieder feststellen müssen, und das wird auch so bleiben. Zudem müssen sich die Kommunen auf den Klimawandel und seine Folgen wie Starkregen einstellen. Das wirkt sich auch auf das Bauen und Wohnen aus.

Kürzlich hat das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung eine Studie vorgelegt: Es gibt reichlich geeignete Grundstücke, auch in den Städten, heißt es da. Was sind die Hindernisse?

Geeignete Grundstücke sind genug vorhanden. Aber wir brauchen auch Eigentümer, die dort bauen oder bereit sind, die Grundstücke zu verkaufen. Man kann beim jetzigen Wohnungsmangel nicht verantworten, dass Grundstücke einfach nur ungenutzt liegen bleiben, dass wir Schrottimmobilien haben, die leer stehen, dass Grundstücke nur für kurzfristiges Wohnen genutzt werden. Grundstücke dürfen nicht zu Spekulationsobjekten verkommen. All das stellen wir aber zu oft fest. Jeder muss nun mitspielen. Die Städte arbeiten mit Anreizen und kaufen Flächen, aber das alleine reicht nicht.

Wohnungsmangel: Markus Lewe ist seit bald 13 Jahren Oberbürgermeister von Münster. Im November 2021 wurde der Christdemokrat Präsident des Deutschen Städtetags.

Markus Lewe ist seit bald 13 Jahren Oberbürgermeister von Münster. Im November 2021 wurde der Christdemokrat Präsident des Deutschen Städtetags.

(Foto: Jens Büttner/dpa)

Was würde den Städten helfen?

Wir brauchen Vorkaufsrechte für Grundstücke im gesamten Stadtgebiet. Bund und Länder sollten Bodenfonds auflegen, damit die Städte selbst am Markt auftreten und vorausschauend Flächen erwerben können. Gerade für klamme Kommunen ist das wichtig. So lassen sich die Konzepte für Diversität und soziale Infrastruktur gut umsetzen, damit nicht Quartiere entstehen für Reiche und Quartiere für Ärmere, wo sich die sozialen Herausforderungen ballen. In vielen Bereichen sind uns da die Hände gebunden.

Wie würde das konkret ablaufen?

Man kann schon heute - allerdings mit großem Aufwand - zum Beispiel ein städtebauliches Entwicklungsgebiet ausweisen. Damit erwirbt die Kommune ein Recht zum Ankauf und kann bestimmen, was auf der Fläche passiert. Hinzukommen müssen jedoch mehr Rechte, auch auf leichterem Wege Grundstücke erwerben zu können. Und eine Bauverpflichtung der Eigentümer, damit unbebaute Grundstücke zeitnah genutzt werden. Städte müssen leichter solche Baugebote für Wohnungen festlegen können, auch in Gebieten, wo gewerbliche Bebauung zugelassen ist. Mehrere Bundesländer sind da säumig und setzen das Baulandmobilisierungsgesetz des Bundes in der Hinsicht noch nicht vollständig um.

Muss man einzelne Eigentümer auch enteignen können?

Das lässt das Baugesetzbuch bereits seit Langem als letztes Mittel zu, es kommt allerdings sehr selten vor. Die Kunst besteht darin, das Gebiet gemeinsam mit den Investoren zu entwickeln, das funktioniert nach meiner Erfahrung in Münster oft sehr gut. Aber es ist auch gut, wenn die Städte da noch ein paar Vorratsmaßnahmen in der Hinterhand haben.

Die Städte können nicht alleine handeln, Bauministerin Klara Geywitz versucht es nun mit einigen Milliarden Förderung. Ist die Rolle der Länder da nicht völlig unterbelichtet? Die sind eigentlich zuständig für den Sozialwohnungsbau.

Wir hatten das immer im Blick, unsere Forderungen richten sich an Bund und Länder. Die Länder spielen hier eine wichtige Rolle, ich möchte ihnen ein Beispiel geben aus meinem Bundesland, Nordrhein-Westfalen. Viele günstige Wohnungen fallen aus der Mietbindung heraus, bundesweit etwa 60 000 jedes Jahr. Man sollte diese aber nicht nur durch Neubauten ersetzen, sondern möglichst oft auch die Mietbindung verlängern. Nordrhein-Westfalen hat erfolgreich ein Konzept entwickelt, wie man dies durch attraktive Angebote an die Eigentümer erreicht.

Gab es auch Versäumnisse der Städte? Nicht alle haben sich rechtzeitig um Flächen für Wohngebiete gekümmert.

Natürlich gibt es auch Versäumnisse. Das hängt davon ab, welche Prognosen man vor zehn bis 20 Jahren erstellt hat. Die Urbanisierung, die wir jetzt erleben, war damals noch nicht absehbar, Anfang der 2000er Jahre schrumpften oder stagnierten viele Städte.

Aber einige Städte haben damals schlicht ihre Haushalte saniert, indem sie Wohnungen und Grundstücke verkauften.

Das ist Teil der Geschichte, man musste Einnahmen erzielen. Man hat damals zum Teil Grundstücke für 'n Appel und 'n Ei verkauft und muss sie heute teilweise für erheblich höhere Beträge wieder erstehen. Man muss sich sehr gut überlegen, ob man Infrastruktur - und dazu zählt Boden - kommerzialisiert. Es hat sich gezeigt: Das ist nicht nachhaltig. Da haben die Kommunen dazugelernt. Bund und Länder allerdings deutlich später.

Zur SZ-Startseite

SZ PlusWohnungsbau
:Hohe Hoffnungen, hohe Hürden

Mehr Geld denn je, endlich wieder ein eigenes Ministerium: Die Vorzeichen für den Bau von 400 000 Wohnungen im Jahr wirken gut. Doch wie realistisch ist der Plan wirklich?

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: