Süddeutsche Zeitung

Wohnungsnot:Auf Sand gebaut

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Ist Wohngeld die bessere Alternative? Es ist erstaunlich, wie hartnäckig bei der Lösung der Wohnfrage noch immer an die Kraft des Marktes geglaubt wird. Dabei interessiert den Markt nur eines: die Rendite.

Von Laura Weißmüller

Das Geld soll es also lösen. Wenn man nur genügend Wohngeld an die Menschen verteilen würde, die sich ihr Zuhause nicht mehr leisten können, ließe sich die Wohnungsnot lindern. Ach was, beseitigen. Und man müsste nicht mühsam einen neuen öffentlichen Wohnungsbau errichten. Mit Geld könne man schneller denen helfen, die Anrecht auf staatliche Unterstützung haben. Und diese Hilfe dann auch wieder einstellen, wenn sich ihre Situation geändert hat. Die zum Teil hohe Fehlbelegungsquote in sozialen Wohnungsbauten wäre gleich mit beseitigt. Eine Win-win-Situation sozusagen, wie sie der Wissenschaftliche Beirat des Wirtschaftsministeriums jetzt in seinem Gutachten propagiert.

Das Gegenteil ist der Fall. Genauso könnte man sich beim Sandburgenbauen wünschen, es würde reichen, immer wieder einen neuen Eimer Wasser in den Burggraben zu schütten, um damit einen dauerhaften Schutz seiner Sandformationen zu gewährleisten. Selbst kleine Kinder wissen: Das Wasser wird versickern, und die einzige Folge wird sein, dass die bereits mühevoll aufgeschichteten Türme bedrohlich absacken, weil ihr Fundament vom vielen Wasser aufgeweicht wird.

Es ist erstaunlich, wie hartnäckig bei der Lösung der Wohnfrage an die Kraft des Marktes geglaubt wird - und das, obwohl der Markt doch in den vergangenen Jahren mustergültig vorgeführt hat, was ihn beim Wohnungsbau einzig interessiert: die Rendite. Und zwar die schnellste. Mit dem Wohngeld unterstützt der Staat genau das System, das diesem Land die Misere überhaupt erst eingebrockt hat und in einen immer hässlicheren Kampf um bezahlbaren Wohnraum ausartet. Das Gleiche passiert beim Milliarden Euro teuren Baukindergeld. Der Staat finanziert damit das, was die bisher gebaute Struktur ökonomisch, ökologisch, aber auch gesellschaftlich implodieren lässt.

Das muss aufhören. Und der soziale Wohnungsbau kann dabei helfen. Nein, wir reden hier nicht von neuen Ghettos, die dabei entstehen würden. Mit diesem Zerrbild versucht der Wissenschaftliche Beirat diese Maßnahme zu diskreditieren. Wir reden von Häusern in der Stadt: im Zentrum und am Rand, in den beliebten Vierteln und in den weniger beliebten. Der soziale Wohnungsbau könnte anders aussehen, als man ihn aus den 70er-Jahren kennt, wenn die öffentliche Hand endlich sein Potenzial sieht: als Motor für eine gemeinwohlorientierte Stadtentwicklung.

Es gibt genügend Architekten in diesem Land, die gute Ideen haben: wie Gebäude Bewohner und Nachbarn zusammenbringen. Wie sie unterschiedliche Altersgruppen einbinden. Wie Wohnbauten helfen, unsere Städte zu verbessern. Denn Häuser machen Vorgaben. Sie entscheiden, wie sich ein Ort entwickelt, ob es attraktive öffentliche Räume gibt oder bloße Abstandsflächen. Ob die Gesellschaft sich dort trifft oder eben nicht.

Bei der Frage, wie bezahlbarer Wohnraum entsteht, geht es nicht darum, möglichst schnell irgendwelche Häuser hochzuziehen, am besten auf unbeliebten Grundstücken. Wer so denkt, wiederholt die Fehler der Vergangenheit und folgt der Logik der privaten Bauwirtschaft. Bei der Wohnfrage geht es um etwas Größeres: Die Gesellschaft muss sich entscheiden, wie sie in Zukunft leben will. Gemeinschaftlich oder neoliberal. Alles andere ist Augenwischerei.

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Quelle:
SZ vom 25.08.2018
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