Wohnungsmarkt:Wohnen ist Glückssache

Warum immer mehr Amerikaner ihre Häuser verlosen.

Von Claus Hulverscheidt

Wer die Natur liebt und gern seine Ruhe hat, der muss bei diesem Angebot einfach schwach werden. Drei romantische Baumhäuser mit Küche, Bad und modernen Kaminzimmern, dazu 22 Hektar Wald mit Elchen, Bären und Frisbee-Golfplatz - und das alles zu einem Verkaufspreis, der einem den Mund offenstehen lässt: 99 Dollar. Zugegeben, eine Sache muss noch hinzukommen, damit man den Zuschlag erhält: Der Verkäufer erwartet ein selbst geschossenes Naturfoto, das unter allen Einsendungen herausragt. Ist einem ein solches Bild gelungen, steht dem Umzug in die herrlichen, im Herbst so knallbunten Wälder Maines nichts mehr im Wege.

Was klingt wie das halbseidene Angebot eines Gebrauchtwagenhändlers, hat einen durchaus seriösen Hintergrund. Obwohl nämlich der Wohnungsmarkt in den USA vielerorts boomt, sind längst nicht alle Hausverkäufe Selbstläufer. Vielmehr müssen manche Eigentümer ungewöhnliche Wege gehen, um ihr Anwesen loszuwerden, vor allem dann, wenn die Immobilie keine gewöhnliche ist: eine Kneipe etwa, ein kleines Ladengeschäft - oder ein Baumhaus-Ensemble. Um Abnehmer zu finden, setzen immer mehr Verkäufer deshalb auf eine Art Lotterie: Statt jemanden zu suchen, der 500 000 Dollar zahlt, gibt man 5000 Lose à 100 Dollar aus und ermittelt dann einen Sieger. Der bisherige Besitzer kommt so auf Umwegen an die erhoffte Summe, der Gewinner freut sich über ein unglaubliches Schnäppchen - und den Verlierern bleibt zumindest der Nervenkitzel, den die meisten während der Wartezeit verspürt haben dürften.

Einziges Problem: US-Bürgern ist es gesetzlich verboten, private Lotterien anzubieten. Viele bedienen sich deshalb eines Tricks. Sie veranstalten - offiziell - keine Lotterie, sondern einen Wettbewerb: um das beste Naturfoto etwa oder den schönsten Aufsatz, in dem die Bewerber erklären müssen, warum sie die Kneipe oder den Laden erwerben wollen. Dem Baumhausbesitzer Josh Rings etwa, dessen Anlage am Rande des 240-Einwohner-Örtchens Stoneham liegt, kam die Idee mit den Fotos, nachdem er gehört hatte, dass im Nachbardorf das Lovell Inn, eine kleine Pension, im Zuge eines Essay-Wettbewerbs den Eigentümer gewechselt hatte. "Wenn du Lotto spielst, glaubst du eigentlich nicht, dass du gewinnen wirst", sagte Prince Adams, der neue Besitzer des Gasthofs, dem Wall Street Journal. Diesmal jedoch, nach dem Einsenden des Aufsatzes, "hatten wir von Beginn an dieses Hirngespinst im Kopf, dass es tatsächlich klappen könnte." Der Preis, den Adams für das Lovell Inn bezahlte: 125 Dollar.

Trotz der vergleichsweise geringen Gebühren ist längst nicht jeder Wettbewerb ein Erfolg. Reicht die Zahl der Einsender nicht aus, um die gewünschte Summe zusammenzubekommen, wird das Gewinnspiel wieder abgeblasen, und die Teilnehmer erhalten ihr Geld zurück. Manchmal spielen bei den Ausschreibungen aber auch andere Motive eine Rolle, so etwa im Fall von Polly Wood, die für ihr Schlaginstrumentengeschäft im Universitätsstädtchen Ithaca im Staat New York einen Nachfolger suchte. Man hätte das sicher auch anders organisieren können als mit einem Wettbewerb um das originellste Geschäftskonzept, erzählte Wood dem Journal. "Aber so hat es einfach mehr Spaß gemacht."

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