Wohnungsmarkt:Berliner Neuland

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Dies könnte modellhaft werden im Kampf für bezahlbaren Wohnraum: Der Senat der Hauptstadt geht neue Wege und beschließt, die Mieten von insgesamt 1,5 Millionen Wohnungen für fünf Jahre einzufrieren.

Berlin geht in der Wohnungspolitik neue Wege und will als erstes Bundesland einen staatlichen Mietenstopp einführen. Der rot-rot-grüne Senat brachte am Dienstag ein Gesetz für einen Mietendeckel auf den Weg. Darin ist vorgesehen, die Mieten für 1,5 Millionen vor dem Jahr 2014 gebaute Wohnungen fünf Jahre auf dem Stand von Mitte 2019 einzufrieren. Hintergrund sind die Wohnkosten in der Hauptstadt, die in den vergangenen Jahren stärker als anderswo in Deutschland gestiegen sind. "Viele Menschen kommen da an die Grenzen ihrer Möglichkeiten", sagte der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD). "Darauf muss man reagieren." Bis voraussichtlich Ende Februar 2020 soll das Mietendeckel-Gesetz mit diversen flankierenden Regelungen endgültig vom Abgeordnetenhaus beschlossen sein und rückwirkend ab 18. Juni 2019 gelten. An jenem Tag hatte der Senat erste Eckpunkte beschlossen. Die Mietsenkungsregel wird neun Monate später kommen, also voraussichtlich Ende 2020. So soll Zeit bleiben, die Umsetzung vorzubereiten und in der Verwaltung dafür bis zu 250 zusätzliche Mitarbeiter einzustellen.

Der Mietendeckel umfasst auch eine Tabelle mit Obergrenzen, die sich nach Baujahr und Ausstattung der Wohnung richten. Darin sind maximal 9,80 Euro Kaltmiete je Quadratmeter vorgesehen. Sie dürfen bei Neuvermietungen nicht überschritten werden. Bestandsmieten dürfen in Zukunft um nicht mehr als 20 Prozent über den Obergrenzen liegen. Andernfalls sollen Mieter eine Absenkung fordern können. Hierbei soll zusätzlich die Lage der Wohnung eine Rolle spielen.

Die Immobilienwirtschaft kritisiert die Pläne seit der Grundsatzeinigung der Koalition in der Vorwoche heftig. Sie befürchtet unter anderem negative Auswirkungen auf den Wohnungsbau und auf Investitionen etwa in die Modernisierung. Die CDU kündigte Klagen etwa vor dem Verfassungsgericht an. Der Mietendeckel mit seinem Eingriff in Eigentumsrechte sei rechtlich unzulässig und werde dem Senat "um die Ohren fliegen", sagte der Vorsitzende Kai Wegner. Der Senat zeigte sich hingegen überzeugt, einen "rechtssicheren" Weg zu gehen. "Eingriffe und Regulierungen gehören zur sozialen Marktwirtschaft", so Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne). Es gehe nicht um Rückkehr zur Planwirtschaft.

Es wird befürchtet, dass der Deckel nötige Investitionen in Wohnungen verhindern könnte

Der Deutsche Mieterbund lobte Berlin für seinen Vorstoß. "Der völlig überhitzte Berliner Wohnungsmarkt bekommt eine Chance, sich zu erholen", erklärte Geschäftsführer Ulrich Ropertz. "Das Berliner Mietendeckel-Gesetz ist die erste öffentlich-rechtliche Mietpreisbegrenzung in Deutschland. Berlin betritt damit juristisches Neuland." Das Vorgehen sei notwendig, weil die Bundespolitik bisher keine wirksamen Maßnahmen zur Begrenzung der Mieten getroffen habe.

Der Präsident des Deutschen Städtetags, Leipzigs OB Burkhard Jung zeigte sich skeptisch: "Berlin agiert mit seinen Plänen eindeutig als Land. Die Städte könnten diesen Weg ohne die Länder gar nicht gehen. Ich glaube, dass wir andere Lösungen brauchen. Das sehen viele Städte im Städtetag ebenfalls so. Ich befürchte, dass ein Mietendeckel nötige Investitionen in Wohnungen ausbremsen kann." Jungs Weg wäre eher, "Bündnisse zu schmieden und sich als Stadt mit privaten Investoren auf ein gemeinsames Vorgehen zu einigen".

© SZ vom 23.10.2019 / dpa, SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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