Wohnungsgesellschaften:Häuserkampf

Die Großvermieter, für deren Enteignung in Berlin Unterschriften gesammelt werden, fühlen sich zu Unrecht attackiert. Tatsächlich liegen ihre Mieten oft unter dem Schnitt - sie steigen allerdings seit Jahren.

Von Benedikt Müller

Demonstrators Protest Against Tightening Housing Market In Berlin

Protest gegen steigende Mieten: In Berlin forderten Demonstranten am Wochenende die Vergesellschaftung großer Wohnungskonzerne.

(Foto: Steffi Loos/Getty Images)

Wenn das Land Berlin grübelt, wie der Konzern Deutsche Wohnen so groß werden konnte, dann kann die Politik selbst die Antwort geben. Berlin hat um die Jahrtausendwende zwei Wohnungsgesellschaften privatisiert. Der Verkauf der Gehag und der GSW brachte der Hauptstadt Hunderte Millionen Euro ein - und Zehntausende Wohnungen auf den freien Markt. Beide Firmen gehören heute der Deutsche Wohnen. An Letzterer aber kristallisiert sich nun der Unmut der Berliner über steigende Mieten.

Zehntausende haben am Wochenende gegen die Wohnungsnot in den Städten demonstriert. Die Initiative "Deutsche Wohnen und Co. enteignen" sammelt in Berlin Unterschriften für ein Volksbegehren, um Wohnungen zu vergesellschaften. Denn Konzerne wie die Deutsche Wohnen profitieren von den angespannten Märkten. Sie besitzen bundesweit zwar nur jede zehnte Mietwohnung. Doch gerade in den Städten haben die Großvermieter kräftig zugekauft: von Bund, Ländern und Städten sowie von Industriekonzernen, die ihre Werkswohnungen verkauften. Weil viele Menschen in die Städte drängen, stehen kaum noch Wohnungen leer. Da in Nullzinszeiten zudem viele Investoren in Immobilien anlegen, gewinnen die Konzerne kräftig an Wert. So sind allein die Wohnungen des größten deutschen Vermieters Vonovia mittlerweile 44 Milliarden Euro wert. Doch wie lebt es sich in ihnen?

Die Wohnungsgesellschaft Vonovia will nun künftig mehr in Schweden investieren

Um das zu beantworten, hat das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Daten des sozioökonomischen Panels ausgewertet, einer regelmäßigen Befragung Tausender Haushalte. Der Anteil der Mieter, die ihre Wohnung "in gutem Zustand" sehen, ist demnach bei privaten Unternehmen genauso hoch wie bei städtischen. Auch die Zufriedenheit mit der Wohnung sei im Schnitt nur geringfügig niedriger. Doch haben die Konzerne die Mieten in den größten Städten seit 2013 stärker erhöht als Kommunen oder Genossenschaften.

"Aus dieser Perspektive ist es verständlich, dass Mieter sich von einem kommunalen/öffentlichen Eigentümer ein geringeres Mietwachstum versprechen", schreiben die Ökonomen. Indes wohnten bei den Konzernen auch viele Durchschnittsverdiener zur Miete, die keine staatliche Hilfe benötigten. Wenn man dann noch bedenke, wie teuer eine Enteignung wohl wäre, sei hiervon "dringend abzuraten".

In der Vonovia-Zentrale in Bochum wundern sich viele über die Debatte. "Ich habe Verständnis für die Diskussion", sagte Vorstandschef Rolf Buch kürzlich bei der Bilanzvorlage, "weil viele Menschen Angst haben." Angst, nichts mehr Bezahlbares in der Stadt zu finden. Enteignungen lösten aber nicht das Problem. Es müsse mehr gebaut werden. Doch das kann dauern, bis manch dünn besetztes Bauamt die Anträge genehmigt. Und vielerorts regt sich Widerstand gegen die Verdichtung der Stadt.

Vonovia verlange keine Luxusmieten, sagt Buch. In Berlin etwa habe der Konzern seine Wohnungen im vergangenen Jahr im Schnitt für 8,19 Euro pro Quadratmeter angeboten, weniger als der Durchschnittspreis in den Inseraten.

Das Wohnen bei Mietkonzernen kann vor allem deshalb schnell teuer werden, weil diese immer mehr Geld für Sanierungen ausgeben. Sie dämmen Fassaden, ersetzen Heizungen oder bauen Balkone an. Derlei Modernisierungen sind zwar gut fürs Klima oder verschönern das Quartier; Vermieter dürfen die Kosten aber zum Teil auf die Jahresmiete aufschlagen. Der Bund hat die Umlage in diesem Jahr von elf auf acht Prozent gesenkt und eine Grenze für die Mieterhöhung eingezogen, um wenigstens Luxussanierungen einzudämmen.

Vonovia kündigte kurz vor der Reform an, dass man hierzulande nun weniger modernisiere. Hat der Konzern im vergangenen Jahr fünf Prozent seiner Wohnungen saniert, sollen es 2019 drei Prozent sein. Die Bochumer wollen nun mehr in Schweden modernisieren, wo sie neuerdings ebenfalls Wohnungen besitzen, und mehr für Neubauten ausgeben - ein Geschäft, das sie erst seit drei Jahren betreiben.

Die Geschichte von Vonovia begann 2001, als der Bund Zehntausende Eisenbahnerwohnungen an die damalige Deutsche Annington verkaufte. Der Konzern gehörte einer britischen Investmentfirma; er sparte, wo er konnte, auch an den Häusern. Vor fünf Jahren brachten die Investoren den Vermieter an die Börse. Bald darauf übernahm dieser die Gagfah, einst gegründet als Gemeinnützige Aktiengesellschaft für Angestelltenheimstätten, 2004 privatisiert. Der fusionierte Konzern nannte sich Vonovia, fand langfristig orientierte Aktionäre und investiert seither viel mehr in seine Häuser. Die alte Annington hat sich vom einen ins andere Extrem verkehrt.

Von der Debatte will sie sich nicht abschrecken lassen. "Wir investieren weiterhin in Berlin", sagte Sebastian Jung, Vonovia-Geschäftsführer in Berlin, der SZ. "Wir wollen in den nächsten Jahren rund 9000 Wohnungen in der Hauptstadt bauen." Auch Sozialwohnungen für 6,50 Euro kalt.

Neubaupläne in Berlin stießen auf viel Widerstand, beklagt die Deutsche Wohnen

Genauso wenig will sich die Deutsche Wohnen, Berlins größter privater Vermieter, auf dem Heimatmarkt bremsen lassen. "Enteignung schafft derzeit viel Emotionen, aber keine einzige Wohnung", sagte Vorstandschef Michael Zahn kürzlich. Der Manager erhält nun viele böse Mails, zuweilen braucht er Sicherheitspersonal. Ende März wurden zwei Firmenwagen angezündet. Der Häuserkampf kocht hoch.

Und das, obwohl die Mieten der Deutsche Wohnen für weite Teile der Bevölkerung bezahlbar seien, so Zahn - im Schnitt 6,62 Euro pro Quadratmeter. In Neuverträgen verlangt der Konzern jedoch gut neun Euro. Berlin wächst jährlich um etwa 40 000 Einwohner. Mit den Wohnungen der einst landeseigenen Gehag und GSW, die zwischenzeitlich ebenfalls Finanzinvestoren gehörten, habe man viele Wohnungen in schlechtem Zustand übernommen, argumentiert der Konzern. Daher wolle man weiter sanieren. Doch damit die Berliner Verwaltung das überhaupt noch genehmigt, verspricht die Deutsche Wohnen den Bezirken vorab, dass sie nur einen Teil der Kosten auf die Mieter umlegen werde.

Neue Häuser baut der Konzern vor allem in Potsdam und Dresden. In Berlin sei man bislang über ein paar Dachaufstockungen nicht hinausgekommen, sagt eine Sprecherin. Neubauten in Berlin kämen langsamer voran als erhofft, man stoße auf viel Widerstand in Beteiligungsverfahren.

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