Wohnungsbau:180 Maßnahmen für billigeres, einfacheres und schnelleres Bauen

Bundeskanzler Olaf Scholz und Bauministerin Klara Geywitz

Bundeskanzler Olaf Scholz und Bauministerin Klara Geywitz nach dem Wohnraumgipfel im Garten des Kanzleramts.

(Foto: IMAGO/Political-Moments/IMAGO/Political-Moments)

Staat, Wirtschaft und Verbände verständigen sich auf einen Katalog, der die Schaffung Hunderttausender bezahlbarer Wohnungen ermöglichen soll. Das sei "für den Zusammenhalt in Deutschland von großer Bedeutung", sagt Bundeskanzler Scholz.

Von Roland Preuß, Berlin

Die Bundesregierung will durch einen breiten Zusammenschluss von Staat, Wirtschaft und Verbänden Hunderttausende bezahlbare Wohnungen in Deutschland schaffen. "Das ist eine große gesellschaftliche Aufgabe, die für den Zusammenhalt in Deutschland von großer Bedeutung ist", sagte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nach einem Treffen des "Bündnisses bezahlbarer Wohnraum" am Mittwoch im Kanzleramt. In der Runde arbeiten Länder, Kommunen, Gewerkschaften und zahlreiche Verbände zusammen. Die Bundesregierung halte an dem Ziel fest, jährlich 400 000 Wohnungen zu bauen, sagte Scholz. Der Bedarf an bezahlbaren Wohnungen habe sich nicht geändert. "Wir müssen das erreichen", sagte Scholz.

Die Beteiligten hatten sich auf eine 65 Seiten umfassende Bündniserklärung verständigt, diese sieht mehr als 180 Maßnahmen vor, die die Teilnehmer nun umsetzen sollen. Das reicht von neuen Regeln für die Wiederverwendung von Baustoffen bis zu einer leichteren Anwerbung ausländischer Fachkräfte. Zentral ist die Zusage der Länder, die Pläne des Bundes für 100 000 Sozialwohnungen im Jahr mitzufinanzieren. Berlin stellt dafür 14,5 Milliarden Euro bis 2026 bereit, die Länder müssen 30 Prozent der Summe aufbringen. Dies haben die Bundesländer nun zugesagt. Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) kündigte für kommendes Jahr ein 500 Millionen Euro umfassendes Programm für Menschen mit geringeren Einkommen an. "Auch sie müssen die Möglichkeit haben, Eigentum zu bilden."

Abschied von Papierakten

Das sogenannte serielle und modulare Bauen, das bisher von Fertighäusern bekannt ist, soll ausgeweitet werden, vor allem auf Mehrfamilienhäuser. Einmal in einem Bundesland genehmigte Haustypen sollen dann ohne weitere Genehmigungsschleifen auch in anderen Ländern gelten. Geywitz erwartet, dass Bauen so deutlich schneller und billiger wird. Dazu sollen auch Behörden beitragen, indem sie sich weitgehend von Papierakten verabschieden. Bauanträge sollen künftig überall digital eingereicht werden dürfen. Ein Dachausbau, eine Aufstockung des Hauses und eine Umnutzung des Gebäudes, etwa von Bürofläche zu Wohnungen, soll erleichtert und teilweise gefördert werden. "Dachflächen sind Bauflächen", sagte Geywitz.

Die Runde des "Bündnisses bezahlbarer Wohnraum" hatte fast ein halbes Jahr lang an dem Katalog gearbeitet, das Bundesbauministerium versuchte, teils sehr unterschiedliche Interessen zusammenzuführen. Einer der Hauptstreitpunkte war, inwiefern man an den geplanten höheren Anforderungen für Klimaschutz und Energieeinsparung bei Häusern festhalten will und inwiefern man die Pläne aufgibt oder Regelungen streicht, um Bauen billiger zu machen, wie Teilnehmer der Süddeutschen Zeitung berichteten. Die Debatten waren ein Vorgeschmack auf die Auseinandersetzungen, die bei den einschlägigen Gesetzvorhaben in den kommenden Monaten zu erwarten sind.

Kritik an Klimaschutzvorgaben

Der Eigentümerverband Haus & Grund forderte am Mittwoch ein fünfjähriges "Regulierungsmoratorium", zum Beispiel den Verzicht auf den von den Grünen betriebenen Plan, dass jede von 2024 an neu eingebaute Heizung zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden muss. Axel Gedaschko, der als Präsident des Verbandes GdW die sozial orientierten Wohnungsunternehmen vertritt, kritisierte eine "einseitige Fokussierung auf immer höhere und teurere Energieeffizienzstandards" - auch das ein Angriff auf die Klimaschutzpläne insbesondere von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). Kanzler Scholz signalisierte nach dem Bündnistreffen Verständnis für diese Anliegen. Klimaschutz sei wichtig, sagte er. "Aber das darf uns nicht wegführen von dem Ziel, bezahlbaren Wohnraum bereitzustellen."

Barbara Metz, die Bundesgeschäftsführerin der Deutschen Umwelthilfe, kritisierte die Forderungen aus der Wohnungswirtschaft. "Die wahren Preistreiber sind nicht die Effizienzvorgaben für Gebäude", sagte sie der SZ. Die gestiegenen Grundstückspreise spielten eine größere Rolle. Die höheren Energiepreise machten vielmehr energetische Sanierungen von Häusern lohnenswerter.

Die Umwelthilfe, die an den Gesprächen beteiligt war, hat aber auch grundsätzliche Bedenken. "Der Fokus auf den Neubau von Wohnungen ist falsch", sagte Metz. Es müsse vielmehr darum gehen, nun schnell die Altbauten zu sanieren, die am meisten Energie verschwendeten.

Der Deutsche Mieterbund (DMB) bezweifelte - so wie andere Verbände - dass das Ziel von 400 000 Wohnungen pro Jahr zu erreichen ist. "Etwa 1,5 bis zwei Millionen Wohnungen fehlen", sagte DMB-Präsident Lukas Siebenkotten. Die im Bündnis verabredeten Maßnahmen wirkten nur mittel- bis langfristig, nötig sei aber schnelle Unterstützung für Mieter.

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