Süddeutsche Zeitung

Wlan:Die offenen Netze und ihre Feinde

Das Urteil der Richter zum rechtswidrigen Musiktausch bringt keinerlei Klarheit.

Von Johannes Boie

In unverschlüsselten, kabellosen Netzwerken werden gelegentlich Musik oder Filme getauscht, die eigentlich urheberrechtlich geschützt sind. Das ist ein Problem. In seinem Urteil schlägt der Europäische Gerichtshof nun eine Lösung vor: Der Zugang zum Netz kann beschränkt werden. Konkret hieße das zum Beispiel, wenn der Gast eines Cafés dort ins Netz will, soll er sich in Zukunft vorher mitsamt Ausweis beim Kellner melden.

Dieses Urteil ist Unsinn. Denn erstens braucht es neben dem ersten nur einen weiteren Gast im Café, der das Wlan benutzt - schon ist im Fall des Falles unklar, wer von beiden die Musik getauscht hat. Um das wirklich zu regeln, müsste der Datenverkehr selbst überwacht werden; das wollen die Richter aber zum Glück nicht. Und zweitens ist gerade der Ausbau offener Netze ein vernünftiges politisches Ziel, in Deutschland wie in Europa. Man muss also froh sein, dass die Richter die Beschränkung des Zugangs als Vorschlag, nicht als Verdikt formuliert haben. Ein nationales Gesetz könnte nämlich Ausweispflicht für Gäste wie Passwortpflicht für Betreiber ausschließen.

Nur leider hat es die große Koalition in Deutschland versäumt, genau dies klarzustellen, als sie das Telemediengesetz überarbeitete. Wegen dieser Unsicherheit wird hierzulande wohl seltener im Café gesurft werden. Was leider symbolisch für ein Land steht, das in Sachen Digitalisierung längst weit abgeschlagen ist.

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Quelle:
SZ vom 16.09.2016
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