Süddeutsche Zeitung

Putin und die deutsche Außenpolitik:Wundersame Bewunderung

Zwar muss Russlands Ministerpräsident Wladimir Putin auf den Quadriga-Preis verzichten - doch kann er sich der Wertschätzung in Deutschland weiterhin gewiss sein. Merkels Koalition hofiert das autoritäre System Russlands und definiert all das als den deutsch-russischen Beziehungen dienlich, was den Machthabern in Moskau gefällt.

Daniel Brössler

Es wird so schnell nicht herauszufinden sein, ob Russlands Ministerpräsident Wladimir Putin beleidigt ist, weil er nun am Tag der Deutschen Einheit doch keinen Quadriga-Preis entgegennehmen kann. Offenkundig ist nur, wie beleidigt der Quadriga-Verein ist, dass er den russischen Regierungschef nicht auszeichnen darf. Patzig ließ er wissen, die Quadriga könne und wolle als von deutschen Bürgern getragene Organisation ausdrücklich nicht belehren und habe Putin für seine Verdienste um die Beziehungen zum geeinten Deutschland ehren wollen. Die Unbelehrbaren halten den Preis an Putin unbeirrt für richtig - sie haben nur den Druck nicht mehr ausgehalten.

Die alljährliche Verleihung des Quadriga-Preises ist eine private Veranstaltung. Vergeben von Leuten aus Politik, Wirtschaft und PR, zählt die Auszeichnung zu jener Sorte, die erst Bedeutung erlangt durch die Ausgezeichneten. Borniert haben die Verantwortlichen alle Warnungen in den Wind geschlagen. Es war ihnen egal, dass ihr Laureat politische Gegner zu persönlichen Gefangenen macht. Einerlei war ihnen, dass Putin den Überwachungsstaat perfektioniert. Sie zeigten auch kein Mitgefühl mit jenen, deren Rechte, etwa das auf Demonstrationen, ihr Held mit Füßen tritt.

Erschütternd ist, dass es der Autorität eines Vaclav Havel bedurfte, die Kuratoriumsmitglieder der Quadriga von ihrem Vorhaben abzubringen. Die Aussicht, der frühere tschechische Dissident und Präsident könne seinen Preis angewidert zurückgeben, schreckte sie. Was nun bleibt, ist ein Schaden und eine Chance. Der Schaden ist begrenzt, denn er ist entstanden vor allem für den Preis, der von seinen Schöpfern ruiniert worden ist. Die Chance aber besteht darin, die Affäre Quadriga nicht als Privatproblem und Malheur außenpolitischer Dilettanten abzutun.

Der Drang, Putin zu preisen, ist jedenfalls nicht auf die Quadriga beschränkt. In Deutschland konnte sich der einstige KGB-Offizier, Ex-Präsident und immer noch starke Mann Russlands stets besonderer Wertschätzung gewiss sein. Dazu gehörte die Erhebung Putins in den Stand der "lupenreinen Demokraten" durch den damaligen Kanzler Gerhard Schröder. Bewunderer fand Putin regelmäßig auch in den Reihen der deutschen Wirtschaft. In der Würdigung Putins durch das Quadriga-Kuratorium ist von "Stabilität durch das Zusammenspiel von Wohlstand, Wirtschaft und Identität" die Rede. Dahinter steckt die weit verbreitete und ziemlich überhebliche Ansicht, nur die Methode Putin halte Russland zusammen.

Was den Machthabern gefällt

Das Arrangement mit den russischen Verhältnissen ist auch Leitmotiv des Petersburger Dialogs, den Schröder und Putin erfunden haben. Dieser Tage findet er wieder im Schlepptau der deutsch-russischen Regierungskonsultationen statt und wird, wie jedes Jahr, als Treffen der Zivilgesellschaften vermarktet. Die deutsche Seite lässt sich dabei freilich weitgehend auf die russische Definition ein, dass zur Zivilgesellschaft jener gehört, den der Staat dazu ernennt. Dahinter steckt eine Denkweise, die jener der Quadriga-Ausrichter nicht unähnlich ist. Demnach dient den deutsch-russischen Beziehungen, was den Machthabern in Moskau gefällt.

Kritik an dieser Position wird gerne als naiv abgetan. Es wird darauf verwiesen, dass es nicht Aufgabe der Deutschen sei, Russland zu demokratisieren. Das stimmt. Ebenso wenig aber sollte es ihr Part sein, einem autoritären System ein demokratisches Mäntelchen umzuhängen. Kanzlerin Angela Merkel hat sich lange mit der Aussicht beholfen, Präsident Dmitrij Medwedjew werde das Land rechtsstaatlicher und freier machen. Diese Hoffnung hat bisher getrogen. Was nun vernünftigerweise bleibt, ist nüchterne Zusammenarbeit etwa im Energiesektor oder gegenüber Iran. Der Verzicht auf Anbiederei beleidigt niemanden, auch niemandes Intelligenz.

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SZ vom 18.07.2011/bön
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