Für Wladimir Putin war bisher jedes Treffen mit Donald Trump ein Gewinn, allein die Aussicht auf ein weiteres wird in Moskau als Erfolg gewertet. Kremlnahe Kommentatoren diskutieren bereits lebhaft über Putins mögliche Flugrouten nach Budapest – über die Türkei und Serbien oder doch über Belarus und Polen?
Der Herrscher im Kreml fliegt schließlich ungern über Länder hinweg, die er als russlandfeindlich betrachtet, was nahezu die gesamte EU ausschließt. Andere sehen in dem Gipfel in Ungarn bereits Russlands Chance, womöglich die gesamte politische Dynamik in Europa zu verändern, die Gewichte mit Viktor Orbáns Hilfe zu Moskaus Gunsten zu verschieben.
Am wichtigsten aber ist aus Sicht des Kreml, dass es Putin wieder einmal gelungen ist, das Thema zu wechseln: Statt über amerikanische Marschflugkörper für die Ukraine wird nun über Trumps Treffen mit dem russischen Machthaber gesprochen: „Ich denke, eines ist vorerst sicher: Selenskij wird morgen in Washington keine Tomahawks erhalten“, sagt etwa der russische Außenpolitikexperte Fjodor Lukjanow in Hinblick auf Wolodimir Selenskij Besuch in Washington.
In Russland beschwört man nun den „Geist von Anchorage“
Das alles erinnert an die Lage kurz vor dem Gipfel in Alaska, als Trump mit härteren Sanktionen gegen Russland gedroht hatte und Putin stattdessen ein persönliches Treffen herausschlug. Nach Alaska wuchs Trumps Frust über Putins Unbeweglichkeit dann erneut, wieder drohte er mit Konsequenzen, wieder gelang es Putin offenbar, die Stimmung zu drehen, zumindest vorerst. Der kremlnahe Experte Ljukanow erklärt Trumps Volten damit, dass der US-Präsident „äußerst ungern in eine Position gerät, in der er Partei für die Ukraine gegen Russland ergreift“. Aber die Europäer und die Ukraine drängten ihn halt immer wieder dazu.
In der russischen Presse liest man seit dem Telefongespräch Trumps mit Putin am Donnerstag viel vom „Geist von Anchorage“ oder der „Alaska-Dynamik“, die fortbestehe, nicht abgerissen sei – ganz so, als habe der Kreml diese Formel vorgegeben. Diese Alaska-Dynamik steht aus russischer Sicht für die Hoffnung, dass sich die Beziehungen mit Washington zu Russlands Vorteil und ganz unabhängig von Putins Krieg gegen die Ukraine normalisieren.
Ob, wann und wo es tatsächlich zu einem zweiten Treffen kommt, bleibt dagegen abzuwarten. Zunächst müssten sich die Außenminister Sergej Lawrow und Marco Rubio besprechen, erklärte Putins außenpolitischer Berater Jurij Uschakow nach dem Telefonat am Donnerstag. Die beiden Präsidenten hätten darin auch über die Tomahawk -Marschflugkörper gesprochen. Putin habe Trump dargelegt, dass deren Lieferung an die Ukraine die Lage auf dem Schlachtfeld nicht ändern, aber den Beziehungen zwischen Russland und den USA „erheblichen Schaden“ zufügen würde.
Budapest sei Trumps Vorschlag gewesen, Putin habe ihn „sofort unterstützt“, sagte Uschakow. Ungarn wird in Moskau als russlandfreundliches Land in der angeblich „russophoben“ EU wahrgenommen. Die europäischen Sanktionen zielen auch darauf ab, Putin international zu isolieren. Nun könnte er womöglich in einem EU-Land, einem Nato-Land mit Trump über den Krieg gegen die Ukraine sprechen, ohne die Europäer überhaupt einbinden zu müssen. Entsprechend positiv wird der Treffpunkt in der russischen Presse kommentiert.
Wladimir Wassiljew, Forscher am staatlichen Institut für die USA und Kanada in Moskau, nennt Budapest einen „Sieg für die russische Diplomatie“. Mit einem Gipfel dort könnte Moskau Ungarn in seinem Konflikt mit der EU unterstützen. Sicher meint er damit Orbáns Widerstand etwa gegen europäische Russland-Sanktionen. Womöglich hat Putin mit einem Telefonat mal wieder mehr gewonnen, als Trump bisher klar ist.

