Verkehrspolitik:Abfahrt ins Ungewisse

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Abendlicher Berufsverkehr auf dem Kaiserdamm im Zentrum von Berlin. (Foto: Michael Kappeler/dpa)

Der neue Verkehrsminister Volker Wissing übernimmt einen schwierigen Posten, er muss den Sektor rasch verändern. Doch die Pläne des Ampel-Vertrags reichen für die deutschen Klimaziele nicht aus.

Von Markus Balser, Berlin

Noch ist der geschäftsführende Minister Andreas Scheuer im Amt. Noch führt der dritte CSU-Politiker in Folge seit 2009 das Bundesverkehrsministerium, da verschafft sich sein Nachfolger schon mal mit klaren Ansagen Gehör: "Es sind enorme Veränderungsprozesse nötig", sagte Volker Wissing, der erste FDP-Minister überhaupt in diesem Ressort. Und: "So wie es ist, kann es nicht bleiben."

Dem 51-Jährigen sind die Themen vertraut. Wissing war bis zum Mai fünf Jahre Minister für Wirtschaft, Verkehr und Landwirtschaft in Rheinland-Pfalz. Er rattert gleich eine ganze Latte von Aufgaben herunter: Die neue Regierung müsse den Bahnverkehr besser takten und eine dichtere Ladesäulen-Infrastruktur für E-Autos aufbauen, sagt er im Sender Phoenix. Und schließlich müsse die Ampel-Koalition auch eine Antwort auf die Frage finden, wie die Menschen eigentlich im ländlichen Raum mobil bleiben könnten. "Politik ist ein Inklusionsauftrag. Wir müssen jeder und jedem ein Angebot machen."

Die Ansprüche des designierten Verkehrsministers an die eigene Politik sind groß. Das Problem ist nur: Der Koalitionsvertrag bleibt beim Thema Verkehr an wichtigen Stellen äußerst vage. Dabei muss der Umbau schon sehr bald konkret werden. Drei Jahrzehnte sind die Emissionen des Sektors nicht gefallen. Nun müssen sie bis 2030 laut deutschem Klimagesetz um fast die Hälfte sinken. Wie genau das klappen soll, haben die Ampel-Verhandler großzügig offen gelassen.

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Während sich SPD, Grüne und FDP überschwänglich loben, sind viele Branchenvertreter, Lobbyisten und Umweltverbände enttäuscht von den Ergebnissen der Ampel-Verhandlungen. Vor allem bei zwei Themen droht heftiger Streit.

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15 Millionen E-Autos bis 2030 sollen laut Koalitionsvertrag in zehn Jahren dafür auf deutschen Straßen unterwegs sein, die LKW-Maut soll künftig nach Emissionen bemessen werden. Doch das allein reicht bei Weitem nicht. Ein konkretes Datum für ein Aus der Verbrenner oder den Abbau klimaschädlicher Steuerprivilegien wie der Pendlerpauschale legt der Vertrag nicht fest.

Mehr Geld für die Bahn als für die Straße

Für den Ausbau der Bahn will die Regierung zwar mehr Geld bereitstellen als für den der Straße. Sie will den Nahverkehr stärken. Der Güterverkehr soll deutlich wachsen. Das Problem: Auf dem bisherigen Bahnnetz geht schon jetzt kaum mehr Verkehr. Und dessen Ausbau würde wohl eher Jahrzehnte als Jahre brauchen.

Die neue Ampel-Koalition besitze den Mut, große Aufgaben anzugehen, sagt Wissing. "Wir werden das nicht so machen, dass wir die Menschen überfordern, aber wir werden es in dem Maße tun, wie es das Land braucht." Doch damit drohen der Ampel-Koalition in der Verkehrspolitik heftige Diskussionen. Der Umbau müsste eigentlich größer ausfallen, als es im Koalitionsvertrag verankert ist. Wie aber solle ein Minister umstrittene Vorhaben durchsetzen, wenn sich schon die Verhandler des Vertrags von SPD, Grünen und FDP daran die Zähne ausbissen, fragt ein Mitglied des Verhandlungsteams für den Verkehr.

Dabei gilt das Verkehrsministerium als Machtzentrum der Bundesregierung. Es ist vor allem eines mit viel Geld. Bei einem Etat von gut 41 Milliarden Euro verfügt es über mehr Mittel als die Ministerien für Wirtschaft, Landwirtschaft, Umwelt und Entwicklungshilfe zusammen. Es unterhält ein Netz von 13 000 Kilometern Autobahnen und 38 000 Kilometern Bundesstraßen. Dazu die Deutsche Bahn mit mehr als 33 300 Kilometern Schienen. Die 1250 Mitarbeiter in Berlin und Bonn sind der kleinste Teil dieses enormen Apparats. In dem Universum aus Ministerium und den 63 nachgeordneten Behörden gibt es knapp 24 000 Vollzeitstellen. Sie finden sich im Kraftfahrt- und im Eisenbahn-Bundesamt, beim Deutschen Wetterdienst und auch beim Luftfahrt-Bundesamt.

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