Wischnewski-Porträt:Ein Spezialist für heikle Missionen

In seiner langen Karriere hat Hans-Jürgen Wischnewski hohe Regierungsämter und Parteiposten bekleidet - in die Geschichtsbücher eingegangen ist der am Donnerstag verstorbene SPD-Politiker jedoch 1977 als "Held von Mogadischu".

Seine Rolle als Krisenmanager bei der Befreiung der Geiseln in der entführten Lufthansa-Maschine "Landshut" auf dem Flughafen der somalischen Hauptstadt verhalf dem Wahl-Kölner zu weltweiter Bekanntheit.

Der Kanzler begrüßt Wischnewski während des politischen Aschermittwochs der SPD in Köln am 9. Februar 2005, AP

Der Kanzler begrüßt Wischnewski während des politischen Aschermittwochs der SPD in Köln am 9. Februar 2005

(Foto: Foto: AP)

Seine hervorragenden internationalen Kontakte vor allem in die arabische Welt, die ihm den Spitznamen "Ben Wisch" einbrachten, machten ihn in den 70er und 80er Jahren zu einem Experten für heikle Aufträge auf dem gesamten Globus.

Bei seiner Mission in Mogadischu dürften Wischnewski vor allem sein Einfühlungsvermögen und seine Kenntnisse der islamischen Mentalität geholfen haben. Als Staatsminister der damaligen sozialliberalen Bundesregierung war Wischnewski der von einem palästinensischen Terror-Kommando gekaperten "Landshut" tagelang nachgereist.

Es war vor allem dem Verhandlungsgeschick des gebürtigen Ostpreußen zu verdanken, dass die somalische Regierung nach der Landung des mit 86 deutschen Mallorca-Touristen besetzten Flugzeugs in Mogadischu der Erstürmung durch die deutsche Antiterrortruppe GSG 9 zustimmte.

Minuten nach dem Einsatz, um 00.12 Uhr am 18. Oktober 1977, konnte Wischneswki dem damaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) telefonisch melden: "Die Arbeit ist erledigt."

Ein "Troubleshooter"

Doch nicht nur im "Deutschen Herbst 1977" mit der Entführung und Ermordung von Arbeitgeberpräsident Hanns Martin Schleyer durch RAF-Terroristen und der Geiselbefreiung in Mogadischu waren Wischneswkis Fähigkeiten als "troubleshooter" gefragt.

Anfang 1985 trug seine Vermittlung bei der Entführung der Tochter des salvadorianischen Präsidenten Jose Napoleon Duarte trug entscheidend zu ihrem Austausch bei.

Im Mai 1986 erreichte er als Vermittler in Nicaragua die Freilassung von acht entführten Deutschen durch die Contras. In Teheran und Beirut setzte er sich im Mai 1987 für die Freilassung entführten deutschen Firmenvertreter Rudolf Cordes und Alfred Schmidt ein.

Noch im April 2004 reiste Wischneswki im Auftrag der Bundesregierung nach Libyen, um mit Staatschef Muammar el Gaddafi Gespräche über eine Ausweitung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit zu führen. Im Dezember 2004 flog zu zur Beisetzung von Palästinenserpräsident Jassir Arafat nach Ägypten.

Bis 1990 im Bundestag

"Ben Wisch" war dem damals noch als Terroristen gesuchten Arafat erstmals 1970 während des so genannten schwarzen September in der jordanischen Hauptstadt Amman begegnet, als die beiden zusammenarbeiteten, um die Menschen aus drei entführten Flugzeugen lebend herauszubekommen.

Von August 1987 an war Wischnewski insgesamt dreimal im Rahmen des mittelamerikanischen Friedensprozesses in dieser Region. Auf Bitte der nicaraguanischen Regierung nahm er ab Oktober 1987 an den Verhandlungen mit den rechtsgerichteten Contra-Rebellen teil, die im März 1988 mit einer Waffenstillstandsvereinbarung endeten. Diese Verhandlungen führten auch zu freien Wahlen in Nicaragua.

Dass "Ben Wisch" Spezialist für Heikles blieb, bewies er einmal mehr im Sommer 1996, als er sich an der Rettungsaktion für den angeschlagenen Kölner KHD-Konzern beteiligte. In dessen Auftrag verhandelte Wischnewski in Saudi-Arabien mit der Regierung.

Wischnewski wurde am 24. Juli 1922 im ostpreußischen Allenstein geboren. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs machte der Sohn eines Zollbeamten in Köln Karriere in der IG Metall und dann in der SPD. Er vertrat die Domstadt von 1957 bis 1990 im Bundestag.

Wischnewski war Entwicklungshilfeminister, SPD-Bundesgeschäftsführer während der Wahl 1969, die zur sozialliberalen Koalition führte, und schließlich Staatsminister im Kanzleramt. Schon Anfang der 70er Jahre setzte er seine guten Kontakte zu den arabischen Staaten mit dem Ziel ein, die Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen zu erreichen.

In seinem Kölner Heim bewahrte der engagierte Briefmarkensammler zahlreiche Andenken an seine ungezählten Politikerreisen auf, so einen japanischen Schrein und Koranausgaben. Duarte dankte ihm für die Befreiung seiner Tochter übrigens mit einer Kalaschnikow.

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