Wirtschaftsskandal:Wirecard steht vor der Pleite

Anzeichen für einen riesigen Betrugsskandal mehren sich. Zahlreiche Aktionäre haben durch den Niedergang des Internetkonzerns insgesamt mehr als 20 Milliarden Euro verloren.

Von Klaus Ott, Jörg Schmitt, Jan Willmroth und Nils Wischmeyer

Der Internetkonzern Wirecard muss nach dem Bilanzskandal in Milliardenhöhe wegen drohender Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung Insolvenz anmelden. Das Unternehmen hat am Donnerstag beim Amtsgericht München einen entsprechenden Antrag eingereicht. Die Aktie stürzte auf knapp über drei Euro ab und hat damit in einer Woche 98 Prozent ihres Wertes eingebüßt. Zahlreiche Anleger haben seit dem Höchststand der Aktie 2018 weit mehr als 20 Milliarden Euro verloren. Der Niedergang von Wirecard ist ein Desaster an der Börse.

Es ist das erste Mal in der mehr als 30-jährigen Geschichte des Deutschen Aktienindex (Dax), dass sich ein Dax-Konzern für insolvent erklären muss. Wirecard war erst 2018 in den Dax aufgestiegen, in dem die führenden deutschen Aktiengesellschaften wie BASF und Bayer, BMW, Daimler, Siemens, Telekom und VW anzutreffen sind. Nunmehr müssen die weltweit 5800 Beschäftigten von Wirecard um ihre Jobs fürchten; und das mitten in der durch das Coronavirus ausgelösten Weltwirtschaftskrise.

Die Beschäftigten wie auch die Aktionäre könnten Opfer eines großen Betrugsskandals sein, für den es immer mehr Hinweise gibt. Zahlreiche Ermittler, Wirtschaftsprüfer und Anwälte sind inzwischen damit befasst, den Internetkonzern zu durchleuchten. Aus ihrem Kreise heißt es, über fragwürdige Berater- und Kreditverträge seien aus dem Konzern hohe Millionensummen abgeflossen. Darunter seien auch Kredite gewesen, die nicht gesichert gewesen seien. Im Unternehmen habe es geheißen, das sei immer schon komisch gewesen, aber der Vorstand habe Bedenken immer weggeredet.

Das Geld sei teilweise an Firmen in Steueroasen gegangen, heißt es weiter aus dem Kreis derjenigen, die Wirecard untersuchen. Es gebe Anzeichen dafür, dass viele Geschäfte außerhalb von Europa einem Schneeballsystem ähnelten. Der langjährige Bilanzprüfer von Wirecard, die Wirtschaftsprüfgesellschaft EY (früher Ernst & Young), sieht bei dem Zahlungsverkehrsdienstleister einen weltumspannenden Betrugsfall.

Es gebe "klare Anzeichen dafür, dass das ein aufwendiger und ausgeklügelter Betrug war, in den unterschiedlichste Parteien rund um die Welt aus verschiedenen Institutionen involviert waren, mit dem Ziel der Täuschung", heißt es in einer Stellungnahme der Deutschland-Tochter von EY. Die Prüfgesellschaft spricht von betrügerischen Absprachen, bei denen mit hohem Aufwand falsche Fährten gelegt worden seien. EY hat jahrelang die Bilanzen von Wirecard für in Ordnung befunden und steht nun selbst unter Druck.

Wirecard äußerte sich nicht zu diesen Vorwürfen und Verdächtigungen. Der Niedergang des in Aschheim bei München ansässigen Unternehmens könnte für etliche Banken teuer werden. Früheren Angaben von Wirecard zufolge haben Kreditinstitute wie die Commerzbank oder die Landesbank Baden-Württemberg dem Konzern gemeinsam bis zu 1,75 Milliarden Euro geliehen.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: