Wirtschaftssanktionen gegen Syrien:Schrumpfender Schatz des Tyrannen

Der Wirtschaftsminister spricht von der "schwersten Krise" der syrischen Geschichte: Nach Ablauf des Ultimatums droht die Arabische Liga Syrien mit Wirtschaftssanktionen. Während sie sonst oft die Falschen treffen, sind sie diesmal die Hoffnung der Opposition: Denn Präsident Assad geht das Geld aus, um sich Loyalität zu erkaufen.

Sonja Zekri

Es beginnt beim Treibstoff, der für die Panzer gegen die Aufständischen gebraucht wird und den Autofahrern fehlt, und es endet mit Milliardenkäufen, um das syrische Pfund zu stützen: Nach neun Monaten Aufruhr ist Syriens Wirtschaft angeschlagen. Und das geht an den meisten Syrern nicht spurlos vorbei. Insofern ist es riskant, dass Präsident Baschar al-Assad am Freitag ein Ultimatum der Arabischen Liga verstreichen ließ und seinem Land nun weitere Wirtschaftssanktionen drohen.

Demonstration in Damaskus

Während überall im Land gegen ihn protestiert wird, inszeniert Präsident Assad in Damaskus Demonstrationen für sein Regime.

(Foto: dpa)

Die Organisation hatte Syrien aufgefordert, bis Freitagmittag ein Protokoll über die Entsendung unabhängiger Beobachter zu unterzeichnen. Als Damaskus nicht reagierte, wurde die Frist bis Mitternacht ausgedehnt. Dies sei die "schwerste Krise" der syrischen Geschichte, denn sie treffe Bürger, Firmen und Geschäftsleute, hatte Wirtschaftsminister Mohammed Nidal al-Schaar in einem Interview mit der Agentur AFP gesagt: "Sie trifft jeden, und das ist eindeutig nicht fair."

Im Frühjahr hatten Syriens vernachlässigte Provinzstädte aufbegehrt, seither hat Baschar al-Assad seinem Volk den Krieg erklärt. Nach UN-Angaben starben 3500 Menschen; eine Zahl, die angesichts Tausender Verschleppter wahrscheinlich zu niedrig ist. Nach Gesprächen mit Aktivisten und Deserteuren - die einzige Quelle, solange Damaskus kaum Journalisten ins Land lässt - geht die Denkfabrik International Crisis Group inzwischen davon aus, dass in Teilen der Aufruhr-Regionen Idlib, Hama und Homs sichere Orte für Flüchtlinge entstanden sind, weil die reguläre syrische Armee dort nicht mehr dauerhaft präsent ist.

Dies wiederum erlaube es dem zusehends selbstbewusster auftretenden bewaffneten Aufstand, sich neu zu ordnen. Da die Zahl der Desertionen wachse und die Armee weiter unter Druck gerate, bestehe begründeter Zweifel, "ob das Regime über ausreichende militärische Mittel verfügt, um diesen Trend umzukehren".

Am Freitag verlautete überraschenderweise in einer offiziellen Stellungnahme, dass in der Provinz Homs sechs Elitepiloten getötet worden sind. Der Konflikt militarisiert sich mit jeder Woche, zum Entsetzen der Nachbarstaaten wie Libanon, Irak oder Jordanien, die ein Übergreifen von Kämpfen unter Syriens zahlreichen Völkern und Religionen fürchten.

Wenn die Arabische Liga nun also wie angedroht Syriens Konten einfrieren, Überweisungen unterbinden und das Land von der Großen Arabischen Freihandelszone ausschließen würde, dann tut die neuerdings so energische Staatengemeinschaft nach Ansicht vieler genau das Richtige. Die Risiken eines militärischen Engagements sind unverändert hoch - Wirtschaftssanktionen aber, die so oft die Falschen getroffen und das Volk dem Regime nur näher gebracht haben, könnten Assad eines seiner wichtigsten Herrschaftsinstrumente berauben: Ohne Geld kann er sich keine Loyalität mehr kaufen.

Millionenfaches Heer von Spitzeln und Schlägern

Noch immer sieht ein großer Teil der sunnitischen Mittelschicht im Herzen von Damaskus und in der Händlerstadt Aleppo ihr Heil - auch ihr materielles - eher bei Assad als bei den Aufständischen. Zudem leistet sich das Regime ein millionenfaches Heer von Spitzeln und Schlägern. "Assad kauft die Menschen. Ohne Geld würden nie so viele zu ihm halten", hat ein Aufständischer an der türkischen Grenze gesagt.

Im Frühjahr hatte der Präsident eine Regierung entlassen, welche die Steuern erhöhen wollte. Das neue Kabinett versprach Energiesubventionen. Staatliche Angestellte erhielten eine Lohnerhöhung um 30 Prozent. Auch die darbende Landwirtschaft soll unterstützt werden. Insgesamt versprach Assad umgerechnet gut fünf Milliarden Euro für Subventionen und Hilfsfonds, meldet die staatliche Nachrichtenagentur Sana. Und dies bei einem Haushalt von umgerechnet 45 Milliarden Euro, einem Einbruch der Steuereinnahmen um 40 Prozent und erwarteten Millionenverlusten durch das Öl-Importverbot der Europäischen Union, die bislang fast das ganze syrische Öl - ohnehin nicht viel - aufkaufte.

Um das syrische Pfund zu stützen, hat die syrische Zentralbank drei von fünf Milliarden Dollar eines Schlechtwetterfonds ausgegeben, dessen Geld ursprünglich für den Fall eines Krieges mit Israel zurückgelegt worden war. Die Kapitalflucht beschleunigt sich. Ausländische Investitionen und der Tourismus in der märchenhaften Altstadt von Aleppo oder zu den antiken Ruinen der Oasenstadt Palmyra sind zum Erliegen gekommen. Assad, so sagen Experten, gebe mehr Geld aus und nehme weniger ein. Es sei nur eine Frage der Zeit, bis er dies nicht mehr durchhält.

Dieser Moment rückt umso schneller näher, als nach den Sanktionen aus Europa und Amerika Syriens Nachbarn - bis auf Iran - nicht wie üblich in die Bresche springen. Angeführt von Saudi-Arabien und dem Golfemirat Katar beschlossen die Araber den vorläufigen Ausschluss des Gründungsmitgliedes Syrien. Nach Jordaniens König Abdullah hat auch der türkische Premierminister Tayyip Erdogan den syrischen Präsidenten zum Rücktritt aufgefordert - flankiert von Vergleichen mit Hitler, Mussolini, Gaddafi und anderen Diktatoren, die ein blutiges Ende genommen haben. Der einst blühende Grenzhandel zwischen Syrien und der Türkei ist eingebrochen. Die Türkei, wichtiger Importeur syrischer Produkte und Lieferant nach Syrien, droht ebenfalls mit Sanktionen, ja sogar damit, den Strom abzustellen.

Die Hälfte des syrischen Exports aber geht in arabische Länder, die wiederum ein Viertel der syrischen Ausfuhren importieren. So kann Assad seine Hoffnungen nur auf die chronische Zerstrittenheit der Araber setzen. Nicht alle Länder würden sich den Sanktionen anschließen, sagte Wirtschaftsminister al-Schaar. Und er hat wohl recht. Libanon, von Syrien über die Schiitenmiliz Hisbollah kontrolliert, hat bereits einen Boykott der Sanktionen angekündigt.

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