Nicht wenige Menschen blicken mit Skepsis auf den Siegeszug der künstlichen Intelligenz. Künstliche Intelligenz, kurz KI, das klingt nach Mensch gegen Maschine, nach Machtübernahme durch Computer und Roboter, nach Stellenabbau und Arbeitslosigkeit.
Der Internationale Währungsfonds (IWF), zu dessen Aufgaben die Förderung von Wachstum und Wohlstand zählt, gehört nicht zu den Skeptikern. Seiner Ansicht nach kann KI vielmehr maßgeblich dazu beitragen, die Produktivität ganzer Volkswirtschaften zu erhöhen, die Beschäftigungsrate zu steigern und den Bürgern bessere Bildungs-, Gesundheits- und Behördendienstleistungen anzubieten. Das allerdings bedeute nicht, dass die Regierungen die Hände in den Schoß legen könnten, so der IWF. Im Gegenteil, der verstärkte Einsatz von künstlicher Intelligenz mache umfassende Reformen im Steuer- und Sozialrecht erforderlich, wenn die Produktivitätsgewinne am Ende nicht allein bei den Firmen und den ohnehin vermögenden Bevölkerungsgruppen landen sollen.
Deutschland kommt Firmen extrem entgegen
Das Problem: Ausgerechnet Deutschland steuert hier in die falsche Richtung – zumindest in Teilbereichen. Zum einen gewährt kein anderes großes Industrieland seinen Unternehmen so großzügige steuerliche Abschreibungsregeln auf den Kauf von Software wie die Bundesrepublik. Die Firmen haben damit laut IWF einen erheblichen zusätzlichen Anreiz, menschliche Arbeit über den verstärkten KI-Einsatz hinaus durch Roboter zu ersetzen. Auch die Steuernachlässe beim Erwerb von Computern sind nur in Italien noch generöser.
Zum anderen lässt sich auch in Deutschland ein globaler Trend beobachten, Arbeit immer höher, Firmen- und Kapitalerträge dagegen immer niedriger zu besteuern. Noch 1965 lag der Durchschnittssatz auf Arbeit in den Industriestaaten bei etwa 18, die Belastung von Kapitalerträgen bei 23 Prozent. Heute ist es umgekehrt: Arbeit wird im Schnitt mit etwa 30, ein Kapitalgewinn nur noch mit gut 20 Prozent belastet. Ergebnis ist, dass Arbeitnehmer immer mehr, Unternehmen und Kapitaleigner hingegen immer weniger zum gesamten Steueraufkommen beitragen müssen.
Der IWF schlägt zwei Instrumente vor
Der Einsatz von KI wird dieses Ungleichgewicht noch vergrößern, wenn die Politik nicht gegensteuert. Der IWF schlägt deshalb unter anderem eine Zusatzsteuer auf übermäßige Gewinne sowie eine stärkere Belastung von Kapitalerträgen vor. Auch die geplante Einführung einer 15-prozentigen globalen Mindeststeuer auf Firmenerträge gehe in die richtige Richtung.
Die Idee einiger Experten, statt oder neben menschlicher Arbeit den Einsatz von Computern und Robotern zu besteuern, halten die Fonds-Experten dagegen für wenig zielführend. Chatbots und andere KI-Anwendungen seien „nun einmal nicht in der Lage, eine solche Steuer zu bezahlen – nur Menschen können das“, so der IWF. Zudem bestünde die Gefahr, dass Investitionen und Innovationen gebremst und Produktivitätsgewinne geschmälert würden.
Besser aufgestellt als im Steuerrecht ist Deutschland beim Thema Sozialversicherung. Hier geht es dem IWF vor allem um Menschen, die lange Zeit in einem Spezialgebiet tätig waren – und nun durch eine KI-Anwendung ersetzt werden. Diese Arbeitnehmer könnten Probleme haben, rasch eine neue adäquate Beschäftigung zu finden, und gezwungen sein, einen schlechter bezahlten Job anzunehmen. Vonnöten sei deshalb nicht nur der Ausbau von Weiterbildungsmöglichkeiten, sondern auch die längere Zahlung von Arbeitslosengeld. Auch der Abschluss von Lohnversicherungen, bei denen die Firma oder der Staat die Differenz zwischen altem und neuem Gehalt ersetzt, könne eine Option sein.
Da Arbeitnehmer in Deutschland im Fall eines Jobverlusts schon jetzt deutlich besser geschützt sind als Kollegen etwa in den USA, ist hier der Handlungsbedarf nicht so groß wie im Steuerrecht. Auch Tarifverträge übernehmen einen Teil der Schutzfunktion, die aus Sicht des IWF andernorts mit der Einführung einer Lohnversicherung erst noch geschaffen werden müssen.