So argumentiert der bayerische Finanzminister
Angesichts der eingetrübten Konjunkturaussichten fordert Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU), alle Vorhaben der großen Koalition auf ihre Wirtschaftsfreundlichkeit zu überprüfen. Durch die neue wirtschaftliche Situation habe sich "auch die politische Geschäftsgrundlage in Berlin" verändert, sagte der CSU-Politiker der Bild am Sonntag. Die Koalition könne deshalb "nicht dogmatisch an allem unbeirrt festhalten, was vor einem Jahr vereinbart worden ist". Nötig sei nun vielmehr ein "Konjunktur-Check" für sämtliche Vorhaben der Regierung. Dabei müsse eine klare Regel gelten: "Alles, was der Wirtschaft schadet, muss auf bessere Zeiten verschoben werden."
Diese Pläne stellt Söder ausdrücklich zur Diskussion
Als Beispiele nannte der CSU-Politiker die geplante Pflegeauszeit, den Mindestlohn und die Rente mit 63. Zudem kritisierte er Pläne für eine Einschränkung von Teilzeitarbeit und Arbeitsbefristung. Dazu dürfe es nicht kommen, sagte Söder.
Zuletzt hatten sich in der Union Forderungen gemehrt, wichtige Koalitionsvorhaben zu verschieben. Der Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses im Bundestag, Peter Ramsauer (CSU), hatte bereits am Mittwoch im Deutschlandfunk die Aussetzung der Rente mit 63 und eine Verschiebung des Mindestlohns angesprochen. Die Bundesregierung hat bislang Änderungen des Koalitionsvertrags ausgeschlossen.
Große Koalition:Schmähungen alter Schule
Die große Koalition war wegen der guten Wirtschaftslage in Deutschland bisher eine Schön-Wetter-Regierung. Doch jetzt trübt sich die Konjunktur ein - und schon wird der Ton zwischen Union und Sozialdemokraten merklich rauer.
Korrigierte Konjunkturprognose löst Kontroversen aus
Auslöser der Debatte sind die trüberen Wachstumsaussichten. Die Bundesregierung hatte in dieser Woche ihre Konjunkturprognose gesenkt. Sie geht für 2014 nur noch von einem Zuwachs bei der Wirtschaftsleistung (BIP) von 1,2 Prozent aus. 2015 soll sie um 1,3 Prozent statt - wie bislang angenommen - um zwei Prozent zulegen.
Herbstprognose der Bundesregierung:Deutschland statt Boomland
Sind die fetten Jahre vorbei? Die Bundesregierung hat ihre Prognose für die Wirtschaftsentwicklung deutlich nach unten korrigiert: Für 2014 rechnet sie nur noch mit einem Wachstum von 1,2 Prozent. Und für das kommende Jahr sieht es nicht besser aus.
Kapitalgeber sollen Vorteile bekommen
Zur Verstärkung der privaten Investitionen in Deutschland schlug Söder in der Bild am Sonntag zugleich eine Änderung der Risikokapitalgesetzgebung vor. Kapitalgeber, die ihr Geld in kreative Firmen und Start-ups investieren, sollten künftig ihr eingesetztes Geld als Sofortabschreibung von ihrem Gewinn abziehen können. Mit dieser Maßnahme, so Söder, könnten "viele Milliarden privaten Kapitals zur Stärkung der Konjunktur und zur Schaffung neuer Jobs mobilisiert werden".
Kritik an Berliner Wirtschaftspolitik auch von Martin Schulz
EU-Parlamentspräsident Martin Schulz hat derweil den strikten Sparkurs der Bundesregierung in Frage gestellt. Die These, wonach Haushaltssanierung automatisch zu Investitionen und Wachstum führe, habe sich "in Europa als falsch erwiesen", sagte der SPD-Politiker dem Tagesspiegel. Dieser Kurs dürfe deshalb "auch in Deutschland kein Dogma sein". Schulz sprach sich erneut dafür aus, sowohl die Haushalte zu sanieren als auch zu investieren.
Angesichts der lahmenden Wirtschaft und massiver Haushaltsprobleme in einigen Staaten wie Frankreich wird in Europa seit geraumer Zeit über die richtige Balance zwischen Sparpolitik und einer durch Investitionen geförderten Wachstumspolitik diskutiert. Besonders Staaten wie Italien und Frankreich fordern mehr Spielraum beim Sparen zugunsten von Investitionen und rufen Deutschland immer wieder dazu auf, mehr für die Belebung der europäischen Wirtschaft zu tun.