Wirtschaftsminister Brüderle:Botschafter für Wein und Mittelstand

Der neue Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle ist eine Frohnatur, die gerne Sprüche klopft. Deshalb sollte man den FDP-Politiker aber nicht unterschätzen.

T. Öchsner

Mit dem Essen und Trinken, sagt der künftige Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP), ist es wie mit den Steuern und Abgaben: "Weniger ist oft mehr". Weniger heißt bei dem Pfälzer: "Kontrollierter Genuss, nicht Genussverzicht - Qualität statt Quantität." Und dazu gehört für ihn ein gutes Stück Fleisch und ein Gläschen deutschen Weins. So habe er, verriet der stellvertretende FDP-Vorsitzende vor einigen Jahren, 20 Kilo abgespeckt.

Wirtschaftsminister Brüderle: Elf Jahre hat er auf seinen Traumjob gewartet: Rainer Brüderle wird der 16. Wirtschaftsminister der Bundesrepublik.

Elf Jahre hat er auf seinen Traumjob gewartet: Rainer Brüderle wird der 16. Wirtschaftsminister der Bundesrepublik.

(Foto: Foto: dpa)

Beim Wein sieht der 64 Jahre alte Diplom-Volkswirt aber einen feinen Unterschied zwischen Frauen und Männern. Bei Letzteren sei bis zu einem halben Liter im Schnitt pro Tag gesundheitsfördernd, bei Frauen etwas weniger, wegen des höheren Fettgehalts im weiblichen Körper, der Alkohol stärker speichere. Dabei mache der Fettgehalt "den Reiz des weiblichen Körpers aus", ließ er bei seiner Festrede zum 55. Ordenstag der Pfälzer Weinbruderschaft wissen.

Es mag sein, dass Brüderle solche Reden als 16.Bundeswirtschaftsminister der Bundesrepublik Deutschland nicht mehr hält. Aber für einen mehr oder weniger geistreichen Kalauer ("Grübeln kommt vor Dübeln") wird er immer gut sein. Den ehemaligen Finanzminister Hans Eichel (SPD) bezeichnete er einst als "Blockwart der Nation", weil der die Schwarzarbeit von Putzfrauen in Privathaushalten kritisierte. Und Ex-Landwirtschaftsministerin Renate Künast (Grüne) nannte er die "Jeanne d'Arc der frei laufenden Hennen."

Ja, Brüderle, als dessen Spezialgebiet die Bild am Sonntag "Weinköniginnen küssen" bezeichnete, ist eine Frohnatur und ein Sprücheklopfer. Es gibt deshalb wohl kaum einen Minister im neuen schwarz-gelben Kabinett, der von Journalisten schon so durch den Kakao gezogen wurde. Sie nennen ihn "Karl Moik der deutschen Wirtschaftspolitik", "Windmaschine" oder "Leichtmatrose". Gleichwohl sollte keiner den jovialen Mainzer unterschätzen.

Seit mehr als 20 Jahren ist der Landeschef der FDP in Rheinland-Pfalz einer der Mächtigsten bei den Liberalen. Er kann vermitteln, zum Beispiel zwischen verfeindeten Parteifreunden. Er kann verhandeln. Was im Koalitionsvertrag über die Wirtschaft steht, stammt nicht zuletzt von ihm. Er kann wendig sein. In den elf Jahren als Wirtschaftsminister in Rheinland-Pfalz konnte er genauso gut mit dem Unions-Ministerpräsidenten Bernhard Vogel wie mit dem SPD-Mann Kurt Beck. Und er kann mit den Leuten, jedenfalls mit den Mittelständlern, die das Rückgrat der deutschen Wirtschaft bilden. Er hilft ihnen auch, wo immer es geht. Dass Brüderle, der Marktliberale, der in seinen Reden stets für weniger Staat und mehr unternehmerische Freiheit kämpft, die Subventionen für den Weinanbau an Steilhängen in Rheinland-Pfalz um mehr als 200 Prozent erhöhte, klebt an ihm wie seine Bekenntnisse zum deutschen Wein. Nun aber wird er bald da sein, wo er immer hin wollte. Am Donnerstag übernimmt er das Amt von Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU).

"Mister Mittelstand"

Elf Jahre hat Brüderle, der zuletzt wirtschaftspolitischer Sprecher der FDP war, auf diesen Tag gewartet. 1998 wechselte er in den Bundestag, aber erst jetzt, im vierten Anlauf, bekommt "Mister Mittelstand", wie sie ihn in seiner Heimat nennen, seinen Traumjob. Der Start wird nicht einfach sein: Der junge, dynamische Guttenberg folgte dem älteren, blassen Michael Glos (CSU). Dieser Kontrast trug dazu bei, die Popularität des Neuen schnell zu steigern. Bei Brüderle ist es umgekehrt. Er ist 27 Jahre älter als Guttenberg und muss zunächst einmal aus dem Schatten des Adeligen aus Bayern heraustreten, der binnen weniger Monate zu einem der beliebtesten Politiker Deutschlands avancierte. Hinzu kommt ein anderes Problem: Im Wirtschaftsministerium wird der Pfälzer selten Winzer empfangen, dafür umso mehr Manager von Großkonzernen und Banken. In dieser Welt muss sich Brüderle, dessen Vater ein Geschäft für Hüte und Unterwäsche hatte, erst zurechtfinden. Andererseits wird er im Ministerium viele Freunde finden. Manche werden zwar Guttenberg nachtrauern, weil er dem Haus wieder Glanz verlieh. Andere, die alten Liberalen, sehen in dem Ministerium klassisches FDP-Territorium. Sie freuen sich, dass hier wieder ein aufrechter Mittelstands-Politiker die Regie übernimmt.

Schwierig dürfte für Brüderle vor allem werden, die heiklen Punkte des Koalitionsvertrages umzusetzen. Die neue Bundesregierung will die Laufzeiten der Atomkraftwerke verlängern. Welche Meiler um wie viel länger am Stromnetz bleiben und was für eine Gegenleistung die Energieversorger zu zahlen haben, muss der Minister mit den Strombossen aushandeln. Gleichzeitig soll er den Versorgern abringen, dass sie einer einheitlichen Netzgesellschaft zustimmen, die den Ferntransport von Strom organisiert. Bislang gibt es vier, unter der Kontrolle der jeweiligen Energiekonzerne. Bei einem anderen Passus im Koalitionsvertrag ist ebenfalls Streit programmiert: Die Regierung soll dem Kartellamt künftig erlauben, Banken zu zerlegen, deren Marktmacht zu groß geworden ist. Ob das wirklich so kommt, ist fraglich. Aber Brüderle muss zumindest dafür die Paragraphen schaffen.

Zuerst wird er sich jedoch um Opel kümmern müssen. Dabei kann der neue Herr über 1800 Beamte in Berlin und Bonn beweisen, wie flexibel er ist. Anfang September sagte er noch: "Der angebliche Opel-Verkauf sieht immer mehr nach einer Mogelpackung aus. Die Karosserie glänzt, aber die Motorhaube darf niemand öffnen." Nun muss Brüderle die Milliarden-Staatshilfen für den Autobauer verteidigen, obwohl er eigentlich gar nicht viel davon hält. Die Kanzlerin will es so.

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