Die Sonne stand am Donnerstag noch nicht hoch am Himmel über der Hauptstadt, da trafen im politisch-publizistischen Komplex schon die ersten Pressemitteilungen zum Konjunkturpaket der großen Koalition ein. Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, dass seit der Corona-Pandemie alles anders ist, wurde er dadurch erbracht, dass sowohl Hilde Mattheis, eine stramm linke Ex-Kandidatin für den SPD-Vorsitz, wie auch die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM), deren Ausrichtung mit arbeitgebernah noch moderat umschrieben ist, positive Worte fanden. Das Paket "macht in vielen Punkten Hoffnung", so Mattheis. Die Bundesregierung beweise "Handlungsfähigkeit und Augenmaß", konstatierte die INSM.
So ähnlich ging es weiter. Der Bundesverband der Deutschen Industrie sprach von einem "starken Signal für Bürger und Unternehmen". Aber auch der Deutsche Gewerkschaftsbund befand: "Die Bundesregierung hat ein beachtliches Paket auf den Weg gebracht." Der Zentralverband des Deutschen Handwerks formulierte vor lauter Begeisterung besonders ambitioniert: "Die Koalitionspartner haben mit ihren Beschlüssen passfähige Schlüsse aus den aktuellen Erfordernissen gezogen." Selbst der Bund der Steuerzahler attestierte dem Programm "Mut", trotz Belastungen für die Haushalte.
Man kann anhand der Reaktionen zu dem Ergebnis kommen: Wenn so viele zufrieden sind, ist für alle was dabei. Doch die Zufriedenheit hat Grenzen.
Union und SPD hatten sich am Mittwochabend auf das wohl bedeutendste Konjunkturprogramm seit dem Marshall-Plan verständigt. Zentrale Elemente sind eine bis Jahresende befristete Mehrwertsteuersenkung, eine Entlastung der Kommunen, ein Familienbonus von 300 Euro pro Kind sowie erhöhte Investitionen in Forschung, Entwicklung und Digitalisierung. Das Paket hat ein Volumen von 130 Milliarden Euro - und das, obwohl die Koalition auf eine Verkaufsprämie für Neufahrzeuge mit Verbrennermotoren verzichtete. Entsprechend hatte vor allem ein Wirtschaftsverband etwas zu mäkeln: Hildegard Müller, Präsidentin des Verbandes der Automobilindustrie, bedauerte ausdrücklich, "dass im beschlossenen Konjunkturpaket die Vorschläge der Automobilindustrie für einen breit angelegten und unmittelbar wirksamen Konjunkturimpuls nur zum Teil aufgenommen wurden".
Die Kaufprämie für Verbrenner, auf die vor allem CSU-Chef Markus Söder in seiner Funktion als bayerischer Ministerpräsident gedrungen hatte, war letztlich ebenso gescheitert wie der Vorschlag von Finanzminister und Eventual-Kanzlerkandidat Olaf Scholz (SPD), den Kommunen sämtliche Altschulden abzunehmen.
Die Situation der Kommunen wird dennoch erleichtert, weil der Bund einen höheren Anteil an den Kosten der Unterkunft für Hartz-IV-Empfänger übernimmt und Gewerbesteuerausfälle durch die Corona-Krise kompensiert. Nach Ansicht des Präsidenten des Deutschen Städtetages Burkhard Jung stärkt das Paket die Städte. Es gebe Impulse für kommunale Investitionen und entlaste strukturschwache Städte mit hohen Sozialausgaben. Auch andere kommunale Verbände äußerten sich zufrieden.
Am meisten Angriffsfläche bot der Familienbonus. Er werde "verbrennen wie ein Strohfeuer", sagte die Präsidentin des Sozialverbandes VdK, Verena Bentele. Viel zielgenauer wäre es, nur arme und bedürftige Familien zu unterstützen. "Wenn der Kinderbonus im Sparschwein oder im Aktienfonds landet, verpufft der Konjunkturimpuls. Und wer echte finanzielle Sorgen hat, dem helfen 300 Euro gar nichts", so Bentele. Die Kritik tut besonders SPD-Chefin Saskia Esken weh, die sich für den Bonus eingesetzt hatte: Bentele ist selbst SPD-Mitglied - genau wie Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil. Der schimpfte über mangelnde Kaufanreize für emissionsarme Fahrzeuge. Das sei "eine schlechte Nachricht für viele Tausend Beschäftigte - vor allem in der Zulieferindustrie".
Die Opposition reagierte überwiegend kritisch, teilweise aber auch differenziert. Am positivsten äußerten sich die Grünen. Bundesgeschäftsführer Michael Kellner sagte der Süddeutschen Zeitung: "Das Paket ist besser als erwartet." Die ökologische Modernisierung müsse konsequent fortgesetzt werden. Trotz der 130 Milliarden Euro bliebe allerdings "wenig für diejenigen, die von der Krise am stärksten betroffen sind", sagte Kellner. Er forderte unter anderem eine Erhöhung der Hartz-IV-Sätze. Auch die FDP erkannte "gute Ansätze", Fraktionsvize Christian Dürr warnte aber wegen kurzfristiger Konsumanreize vor einem "gigantischen Strohfeuer".
Die Linke monierte die mangelnde Gegenfinanzierung. "Das Konjunkturpaket von heute könnte die Steuererhöhungen von morgen bringen", sagte Fraktionschef Dietmar Bartsch der SZ. Dass die Koalition 21 Stunden verhandele und die Frage der Gegenfinanzierung nicht stelle, sei "fahrlässig und letztlich unredlich gegenüber den Bürgern". Bartsch forderte eine Abgabe von Milliardären und Multimillionären "zumindest zur teilweisen Finanzierung der Corona-Kosten". Der AfD-Abgeordnete Jens Kestner sprach von einem "historisch misslungenen Konjunkturpaket".