Wirtschaft:Grenzfall

Warum Dänen in Deutschland kein Dosenpfand zahlen müssen.

Von Thomas Hahn

Puttgarden auf Fehmarn ist für dänische Trinker so etwas wie eine Pilgerstätte. Nicht wegen der Peter-und-Paul-Kapelle natürlich, die bis zum 17. Jahrhundert in der Nähe aufragte. Sondern wegen des Grenzshops am Hafen, in dem es für sie Dosenbier ohne dänischen Steueraufschlag und ohne deutsche Pfandgebühr gibt. Die Trinker kommen mit der Autofähre, kaufen auf Vorrat und entsorgen die geleerten Dosen dann zu Hause. Klar, es gibt ja kein Pfand zurück. 1,5 Millionen Dosen hat der dänische Naturschutzverband DNF seit 2008 in der Natur gefunden. "90 Prozent davon stammen aus dem Grenzhandel", sagt eine Sprecherin.

Die EU hat sicher kompliziertere Probleme zu lösen, als die Recyclingsysteme zweier gut situierter Mitgliedstaaten in Einklang zu bringen. Trotzdem klappt es nicht, sonst stünde der Umstand, dass Dosen aus Deutschland die dänische Umwelt vermüllen, nicht immer noch für ein Beispiel europäischen Absurdistans. Denn neu ist das Problem nicht. Laut DNF ist es schon wieder zwei Jahre her, dass die Naturschützer mit dem dänischen Handelsverband Dansk Erhverv eine Beschwerde an die EU-Kommission wegen Verstoßes gegen die Verpackungsverordnung richteten. Dansk Erhverv will Wettbewerbsnachteile für heimische Supermärkte ausgleichen, aber die Forderung der beiden Verbände ist letztlich die gleiche: Auch skandinavische Grenzeinkäufer sollen endlich Pfand zahlen müssen.

Das Seltsame ist: Eigentlich gibt es längst eine Vereinbarung, die das vorsieht. 2015 verständigten sich die Umweltminister Deutschlands, Schleswig-Holsteins und Dänemarks darauf, dass die dänische Regierung bis 2018 ein Pfandsystem für Dosen aus deutschen Grenzläden auflegt. Diese hatte das selbst vorgeschlagen, wie die Bundesregierung kürzlich in der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linken-Fraktion im Bundestag mitteilte.

Auf die Vereinbarung verweist auch das Umweltministerium von Schleswig-Holstein mit dem neuen grünen Ressortchef Jan Philipp Albrecht, wenn sie erklären soll, warum sich nichts tue in der deutsch-dänischen Dosenkrise: "Es ist Aufgabe der dänischen Seite, ein entsprechendes Netz aufzubauen." Der dänische Umweltminister Jakob Ellemann-Jensen von der konservativ-liberalen Partei Venstre lässt wiederum mitteilen, sein Haus könne den Deal aus sozialdemokratischen Regierungszeiten gerade nicht umsetzen. Grund: die Beschwerde des Handelsverbandes. Bevor die EU darüber nicht befunden habe, müsse das Thema warten.

So blockiert jeder jeden. Die Bundesregierung grummelt dazu leise, weil sie den betroffenen Ländern in dieser Angelegenheit nichts vorzuschreiben hat. Sonst würde sie dänischen Grenzshop-Touristen wohl keine Ausnahme von der deutschen Pfandpflicht gewähren, bloß weil diese beim Kauf schriftlich versichern, ihre Getränke ausschließlich außerhalb Deutschlands zu konsumieren. "Die Vollzugsbehörden in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern vertreten eine andere Rechtsauffassung", heißt es in der Antwort auf besagte Anfrage.

Dafür freuen sich die dänischen Trinker über ihre Hamsterkäufe in den Oasen pfandfreien Alkohols - und finden dann im Rausch oft die Mülleimer nicht. Es ist ein Teufelskreis.

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