Wirecard:Schwere Vorwürfe gegen Wirtschaftsprüfer

Das Unternehmen EY soll bei Wirecard jahrelang nicht richtig hingeschaut haben. Der Prüfkonzern will sich im Untersuchungsausschuss des Bundestages wehren.

Von Klaus Ott, Jörg Schmitt und Jan Willmroth, München

Im Wirecard-Skandal wirft eine Aufsichtsbehörde in einer Strafanzeige dem Wirtschaftsprüfkonzern EY große Versäumnisse vor. Bei der Prüfung der Jahresbilanzen 2015 bis 2017 der Wirecard AG sollen Mitarbeiter von EY schwere Fehler begangen und gegen berufsrechtliche Pflichten verstoßen haben. Die 28-seitige Strafanzeige liegt der Süddeutschen Zeitung, NDR und WDR vor. Sie stammt von der Bundesbehörde Apas, deren Aufgabe es ist, Wirtschaftsprüfer zu beaufsichtigen. Die Apas gehört indirekt zum Geschäftsbereich des von Peter Altmaier (CDU) geleiteten Bundeswirtschaftsministeriums.

In dem Schreiben der Apas an die Generalstaatsanwaltschaft Berlin wird der Verdacht geäußert, dass namentlich genannte EY-Prüfer "Straftaten im Zusammenhang mit der Berufsausübung" begangen hätten. Die EY-Mitarbeiter hätten in ihren Prüfunterlagen jahrelang teils "unrichtig berichtet", teils entdeckte Unregelmäßigkeiten verschwiegen. In einem Fall hätten sie etwa die für Wirecard zuständige Staatsanwaltschaft nicht informiert, obwohl sie dazu verpflichtet gewesen wären. Mit Blick auf die Prüfung der Konzernbilanz 2017 geht die Apas sogar von einem "inhaltlich unrichtigen Bestätigungsvermerk" aus.

Die Apas ist beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle angesiedelt und seit Mitte 2016 für die Aufsicht über Wirtschaftsprüfer großer Unternehmen zuständig. EY hatte die Bilanzen des Zahlungsdienstleisters Wirecard fast ein Jahrzehnt lang geprüft und für in Ordnung befunden. Das änderte sich erst 2020, als EY Luftbuchungen in Höhe von 1,9 Milliarden Euro entdeckte und die Zustimmung zur Bilanz 2019 verweigerte. Wirecard ging pleite, seither ermittelt die Staatsanwaltschaft München I gegen den früheren Konzernchef Markus Braun, den untergetauchten Vorstand Jan Marsalek und andere Konzernmanager wegen Betrugsverdachts in Milliardenhöhe und weiterer mutmaßlicher Delikte, darunter eben auch Bilanzfälschungen. Braun bestreitet alle Vorwürfe.

Der Prüfkonzern EY reagierte auf Anfrage von SZ, NDR und WDR seinerseits mit schweren Vorwürfen gegen die Apas. Man habe einen ausführlichen Fragenkatalog der Aufsichtsbehörde am 17. September mit einer 316-seitigen Stellungnahme und 3000 Seiten Anlagen beantwortet. Bereits am 28. September, "also nach nur sechs Arbeitstagen", habe die Apas ihre Vorwürfe formuliert. EY erklärte dazu, "nach unserer Auffassung haben wir in diesem Sachverhalt bisher kein ausreichendes rechtliches Gehör erhalten und unsere umfangreichen Unterlagen sind nicht ausreichend gewürdigt worden. Wir konnten uns dazu bis zum heutigen Tage nicht äußern".

Zu den Vorwürfen selbst äußerte sich EY wegen Schweigepflicht für Wirtschaftsprüfer nicht. Der Prüfkonzern will allerdings, sofern der Bundesgerichtshof in einem dort anhängigen Verfahren den Weg frei macht, "schnellstmöglich" vor dem Wirecard-Untersuchungsausschuss des Bundestags aussagen. Nach der Wirecard-Pleite hatte EY sinngemäß erklärt, man habe sich nichts zuschulden kommen lassen, sondern sei mutmaßlichen Betrügern aufgesessen.

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