Süddeutsche Zeitung

Wirbel in Israel:Minister rudert zurück: "Meinte nicht Holocaust"

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Die Äußerung sorgte für Aufsehen: Vize-Verteidigungsminister drohte den Palästinensern mit starken Worten und fühlt sich nun missverstanden.

Israels Vize-Verteidigungsminister Matan Vilnai hat den Palästinensern im Gazastreifen mit massiven Angriffen gedroht, sollte der Raketenbeschuss südisraelischer Städte anhalten. Die Ankündigung eines Holocaust zog er am Freitag nach einem Aufschrei im Land aber ausdrücklich zurück.

Vilnai habe zwar die in Israel für den Holocaust gebräuchliche Bezeichnung "Schoah" benutzt, damit aber nicht auf die Judenvernichtung im Zweiten Weltkrieg anspielen wollen, erklärten Sprecher des Verteidigungs- und Außenministeriums fast wortgleich.

"Wenn die Palästinenser noch mehr Raketen abschießen und deren Reichweite vergrößern, bringen sie sich in die Gefahr einer größeren Schoah, weil wir alles in unserer Macht stehende tun, uns zu verteidigen", sagte Vilnai dem Militärrundfunk.

Sprecher: "Keine Anspielung auf Völkermord"

Es ist in Israel verpönt, Vergleiche zum Holocaust herzustellen. Der Begriff "Schoah" wird selten in einem anderen Zusammenhang benutzt, hat aber wörtlich die Bedeutung "Katastrophe". "Herr Vilnai meinte Katastrophe. Er wollte keine Anspielung auf den Völkermord machen", sagte sein Sprecher.

Der 64-jährige Vilnai gehört der Arbeitspartei an und ist seit 1999 Mitglied der Knesset - seit vergangenem Juli in seiner gegenwärtigen Position als Vize-Verteidigungsminister. In der Armee diente er als General.

Verteidigungsminister Ehud Barak bezeichnete eine Offensive als unausweichlich, sollte der Raketenbeschuss anhalten. "Israel ist nicht scharf auf eine Offensive und reißt sich nicht darum, aber die Hamas lässt uns keine Wahl", schrieb er Zeitungsberichten zufolge in einem vertraulichen Brief an ausländische Regierungen.

Barak besuchte am Freitag Aschkelon, auf das die radikal-muslimischen Extremisten einen Raketentyp mit größerer Reichweite als bisher üblich abgeschossen hatten. Eine israelische Reaktion sei nötig und die Hamas trage die Verantwortung für die Eskalation sowie die Folgen, sagte er dort. Die israelische Armee hat mit Luftangriffen in den vergangenen beiden Tagen mindestens 33 Menschen in dem Küstengebiet getötet, darunter fünf Kinder.

Die Hamas wies die Drohungen zurück. Vilnais Äußerungen zeigten, dass es die Palästinensern mit "neuen Nazis" zu tun hätten, erklärte ein Sprecher. Auch der Regierungschef der Bewegung im Gazastreifen, Ismail Hanija, betonte bei seinem ersten öffentlichen Auftritt seit mehr als einem Monat: "Dies zeigt, dass Israel von vornherein aggressive Absichten gegenüber unserem Volk verfolgt. Sie wollen, dass die Welt verurteilt, was sie Holocaust nennen, und nun drohen sie unserem Volk mit einem Holocaust", sagte er nach den Freitagsgebeten.

Zehntausende strömten in allen Teilen des Gazastreifens zu Protesten zusammen. Dabei kündigten hochrangige Hamas-Mitglieder an, die Gruppe arbeite an weiteren Verbesserungen ihrer Raketen. Eines Tages würden die Geschosse "jeden Ort in Israel" erreichen.

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Reuters
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