Die schwedische Regierung hat am Montag bekanntgegeben, dass 13 von 14 Anträgen für den Bau von neuen Offshore-Windkraftparks abgelehnt werden, weil diese die Verteidigungsfähigkeit des Landes beeinträchtigen könnten. Auf einer Pressekonferenz, die er zusammen mit Umweltministerin Romina Pourmokhtari sowie Energie- und Wirtschaftsministerin Ebba Busch abhielt, sagte Verteidigungsminister Pål Jonson, Windkraftparks würden die Ortung anfliegender Raketen erschweren, Radarsensoren würden irritiert, die Luftwaffe werde in ihren Manövern behindert, weshalb man die Anträge abschlägig bescheiden müsse. Jonson erklärte, in anderen Ländern kämen sich der Ausbau von Windkraftanlagen und die Verteidigungsinteressen nicht in die Quere, in den schwedischen Ostseegebieten aber sei das so. Er verwies dabei als entscheidenden Abwägungsfaktor auf die Nähe des nächsten russischen Militärstützpunktes; Kaliningrad liegt 300 Kilometer Luftlinie von Gotland entfernt.
Die abgelehnten Anlagen sollten allesamt in der Ostsee gebaut werden, zwischen den finnischen Ålandinseln im Norden und dem Öresund im Süden. Ein 14. Antrag für eine Anlage in der Nordsee wurde genehmigt.
Schweden hat seit seinem Beitritt zur Nato in der Ostsee einen Großteil der Aufklärungsarbeit übernommen und wäre im Ernstfall zentraler Brückenkopf in die baltischen Staaten. Energieministerin Ebba Busch sagte, die Ablehnung der neuen Anlagen sei der Regierung zwar schwergefallen, zeige aber, „dass wir die Verteidigung Schwedens sehr ernst nehmen“.
Die Windkraftbranche ist geschockt
Der Konflikt zwischen potenziellem Windkraftausbau und den Aufgaben der schwedischen Streitkräfte ist lange bekannt, dennoch reagierte die Windkraftbranche geschockt auf die Ankündigung dieses Totalverbots in der Ostsee. „Ich halte es für eine sehr unglückliche Botschaft, dass Schweden diese groß angelegte Stromerzeugung, die in Südschweden wirklich gebraucht wird, verlieren wird“, sagt Hillevi Priscar, Leiterin der schwedischen Niederlassung von OX2, einer der Firmen, die nun mehrere Großprojekte aufgeben muss.
Die Schwedische Behörde für Verteidigungsforschung (FOI) gab bereits im Frühjahr 2023 zu bedenken, dass die beantragten Windkraftanlagen die Ortung potenzieller Gegner erschweren könnten: zum einen, weil sie die Sicht versperren, zum anderen, weil die Reichweite der Radaraufklärung abnehme und die Gefahr sogenannter Radarechos erhöht werde. Außerdem könnten die Anlagen und ihre unterseeische Kabelinfrastruktur elektromagnetische Störungen verursachen, die wiederum den Funkverkehr beeinträchtigen. Drittens würden Tiefflugmanöver durch die bis zu 300 Meter hohen Windmasten erschwert. Die schwedische Energieagentur warnte damals, dass es in der ganzen Ostsee keine Gebiete gebe, in denen die FOI die Chance einer Koexistenz von Windkraftanlagen und Verteidigungsinteressen sehe.
In Schweden werden nicht zuerst Windkraft-Gebiete von der Regierung festgelegt, in denen sich Unternehmen dann um Baurechte bewerben können. Vielmehr beantragen Firmen die Erlaubnis, in einem bestimmten Meeresgebiet bauen zu dürfen, und dann erst wird geprüft, ob die Gegend überhaupt geeignet ist. Im Dezember will eine Kommission ein neues Modell zur Beschleunigung des Baus von Offshore-Anlagen vorlegen. Es dürfte dem in anderen europäischen Ländern ähneln, in denen die Regierung zunächst Bereiche ausweist – was mehr Planungssicherheit für die konkurrierenden Firmen bedeutet.
Der Umwelt- und Klimahaushalt wird schrumpfen
Der Strombedarf steigt in Schweden stark, nach Schätzungen der Energieagentur dürfte er sich bis 2035 verdoppeln. Auch deshalb wurden bislang große Hoffnungen in die Offshore-Windkraft gesetzt, für deren Ausbau gerade in Schweden mit seiner 2500 Kilometer langen Küste gleich mehrere Faktoren sprechen: Auf offener See gibt es stärkere Winde als an Land, die Anlagen können höher und leistungsstärker gebaut werden, und Menschen werden nicht im gleichen Maße gestört wie an Land. Die beantragten Windkraftprojekte hätten fast 140 Terawattstunden pro Jahr liefern können, was in etwa dem gesamten Stromverbrauch Schwedens im Jahr 2023 entspricht.
Linus Lakso, der energiepolitische Sprecher der Grünen, kritisierte die Entscheidung der Regierung, schließlich könne man heute schon Radar- oder Sonarsysteme in die Windparks einbauen, um potenzielle Interferenzen zu minimieren: „Wenn die Regierung gewollt hätte, hätte sie die Verteidigungskräfte beauftragen können, Lösungen zu finden.“
Die konservativ-liberale Regierung, die auf die Stimmen der rechtspopulistischen Schwedendemokraten angewiesen ist, hat im vergangenen Jahr Subventionen für den Ausbau der Windkraft gestrichen. Der Ausbau der Windkraft an Land kommt mittlerweile auch nur noch äußernd schleppend voran. Erst vergangene Woche hat die Regierung bekannt gegeben, dass der Umwelt- und Klimahaushalt für das kommende Jahr um drei Milliarden auf 16,4 Milliarden schwedische Kronen reduziert werden soll: von 1,4 Prozent des Gesamthaushalts auf 1,2 Prozent.