Das Ganze war sehr groß geplant: Drei riesige Windparks, die gemeinsam drei Gigawatt erzeugen sollten – der bisher größte dänische Park kommt gerade mal auf eine Leistung von einem Gigawatt. Die Regierung sprach von der „größten Ausschreibung in der Geschichte unseres Landes“.
Dazu allerfeinste Lage, falls man das bei Grundstücken im Wasser sagen darf: stabiler Wind. Flaches Wasser, die Gebiete 20 Kilometer westlich von Jütland eignen sich wohl wie wenige andere zum Ausbau der Offshore-Energie.
Das Land will „zu einem großen grünen Kraftwerk für ganz Europa“ werden
Hätte, hätte, Windradkette – das Projekt ist fürs Erste abgesagt. Weil auf die Ausschreibung niemand geboten hat. Gar niemand. „Das ist äußerst enttäuschend und ernst“, schrieb der Minister für Klima, Energie und Versorgung Lars Aagaard in einer Pressemitteilung, „und es ist überhaupt nicht das, was wir erwartet hatten, als wir das Offshore-Wind-Abkommen unterzeichneten“. Jetzt rätseln alle, wie das passieren konnte: Ausgerechnet im Mutterland der Windenergie so eine herbe Flaute.
Dänemark ist das Geburtsland der Offshore-Windenergie, hier, genauer vor der Küste der Ortschaft Vindeby auf der Insel Lolland, lieferten 1991 erstmals elf Windräder Energie für 2200 Haushalte. Heute wird ein Viertel des dänischen Strombedarfs durch Windräder auf dem offenen Wasser erzeugt, die Kapazität liegt bei drei Gigawatt, zusammen mit den Rädern, die an Land stehen, werden 55 Prozent des gesamten Strombedarfs durch Windkraft produziert.
Im Juni 2023 stimmte dann das Parlament mit beeindruckend großer Mehrheit für das von Lars Aagaard erwähnte Offshore-Wind-Abkommen: Insgesamt 600 Offshore-Räder wurden darin beschlossen, mit einer Kapazität von 12,9 Gigawatt, Strom für 14 Millionen Haushalte in ganz Europa. Im Vorfeld hatte der damalige Klimaminister Dan Jørgensen prognostiziert, man werde die bisherigen Kapazitäten bis 2030 verfünffachen, Dänemark werde „zu einem großen grünen Kraftwerk für ganz Europa“.
Jetzt droht sie erst mal zu einem Friedhof der Hoffnungen zu werden. Die Europäische Union peilt bis 2030 mindestens 88 Gigawatt aus Offshore-Windenergie an, mehr als viermal so viel wie heute. Da ist solch eine gescheiterte Offshore-Windauktion ein schwerer Schlag ins Kontor.
Harte Kritik an der sehr selbstbewussten Ausschreibung
Klimaminister Lars Aagard sagte recht kleinlaut, man werde jetzt „mit den Unternehmen in den Dialog treten“, um herauszufinden, „wie wir die Offshore-Windkraft möglichst bald wieder voranbringen können und warum sie nicht geboten haben“.
Viel detektivischen Scharfsinn braucht man anscheinend nicht, um das herauszubekommen. Die Kritik an den Konditionen der Ausschreibung war Ende vergangener Woche jedenfalls von allen Firmen im Chor zu hören: zu teuer, zu unattraktiv, zu unsicher.
Laut Ausschreibung sollte es keinerlei Subventionen oder Sicherheit für einen Mindestpreis pro Kilowatt Stunde geben – im Gegenteil, die Betreiber sollten, ähnlich wie bei Erdölkonzessionen, über einen Zeitraum von 30 Jahren Konzessionszahlungen für das Recht zur Nutzung des Meeresgebiets leisten, alle Baukosten selber tragen, den Strom zu marktüblichen Konditionen liefern. Gleichzeitig hätten sie sich mit einer staatlichen Miteigentümerschaft von 20 Prozent einverstanden erklären müssen. Der dänische Staat wäre also bei jedem der Projekte Minderheitseigentümer geworden.
Dass der dänische Staat eine derart selbstbewusste Ausschreibung tätigte, hängt damit zusammen, dass 2021 ein großer Windpark namens Thor zu ähnlich strengen Konditionen versteigert werden konnte, die zur Folge hatten, dass der Staat damit Geld verdienen konnte, anstatt Beihilfen gewähren zu müssen.
Widerstand der Unternehmen gegen „Geldbäume“ im Meer
Nun sind aber, wie Camilla Holbech, Vizepräsidentin für erneuerbare Energien und internationale Zusammenarbeit beim Branchenverband Green Power Denmark, der SZ erklärt, in den vergangenen drei Jahren die Baukosten für Offshore-Windkraftanlagen enorm gestiegen. „Dazu kommen hohe Zinsen und eine hochkomplexe Lieferkette. Der Strompreis, mit dem die Unternehmen ja am Ende ihr Geld machen, ist hingegen gefallen.“ Außerdem sind mittlerweile natürlich längst auch andere Ost- und Nordseeanrainerstaaten an Offshore-Windenergieprojekten beteiligt, Polen und Großbritannien bieten in ihren Neuausschreibungen laut Holbech weit bessere Konditionen mit staatlicher Unterstützung.
„Da kam also so was wie der perfekte Sturm zusammen“, so Holbech. Vor allem aber ärgert sie, dass durch diesen Rückschlag Dänemark nun länger als geplant an den Import fossiler Brennstoffe gebunden sein wird. In einer Presseerklärung am vergangenen Freitag schrieb Green Power Denmark deshalb, die Politik solle doch „bedenken, dass Windkraftanlagen keine Geldbäume, sondern Werkzeuge sind, um uns unabhängig von fossilen Brennstoffen und feindlichen Mächten zu machen.“
Viel Zeit bleibt Lars Aagaard nicht für seine Recherche und die Gespräche mit den Unternehmen: Am 1. April ist die nächste Offshore-Auktion geplant, wieder für insgesamt drei Gigawatt Leistung. Diesmal liegen zwei der Gebiete weiter nördlich, im Kattegat, die anderen beiden Zonen liegen zwischen Rügen und der westdänischen Insel Møn. Eigentlich müsste dann auch das diesmal so grandios versenkte Projekt dringend eine zweite Chance bekommen. Danach sieht es aber bisher nicht aus.