Windkraft und Artenschutz:"Dieser Knoten ist heute gelöst worden"

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Klimaminister Robert Habeck (l.) besucht Umweltministerin Steffi Lemke am Montag in Berlin. (Foto: Michael Kappeler/dpa)

Bedrohen Windräder seltene Vogelarten? Diese Sorge hat in Deutschland viele Ökostromprojekte vereitelt. Umwelt- und Wirtschaftsministerium entschärfen diesen Konflikt nun.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Im Hintergrund dudelt sachte Fahrstuhl-Musik, als Robert Habeck die Bühne im Umweltministerium besteigt. "Schöne Musik habt ihr hier", sagt der Wirtschaftsminister. "Hier ist alles schön, Robert", erwidert Steffi Lemke, die Umweltministerin. So beginnt der Friedensauftritt zweier grüner Minister. Und dieser Frieden hat schon begonnen, noch ehe ein echter Konflikt entbrennen konnte. So schnell ging das - mit den Windrädern und dem Naturschutz.

Die Frage nach den Vögeln und ihrer Bedrohung durch Rotorblätter begleitet die Windkraft, seit sie ihren Siegeszug im Land angetreten hat. Gegner der Mühlen sehen darin wahre Schreddermaschinen und zählen Vogel-Kadaver zu Füßen der Anlagen. Projektfirmen beklagen ausufernde Genehmigungsverfahren, verunsicherte Behörden und Auflagen, die sie als Schikane empfinden. Und mittendrin zwei grüne Minister: Die eine, Steffi Lemke, hat sich den Naturschutz und Kampf gegen die Artenkrise auf die Fahnen geschrieben - viel mehr ist dem Ministerium, sieht man vom Verbraucherschutz mal ab, ja auch nicht geblieben. Der andere, Robert Habeck, muss den Ausbau von Windrädern massiv vorantreiben im Kampf gegen die Klimakrise. Zwei Prozent der Landesfläche sollen ihr künftig gewidmet sein, der Anteil des Ökostroms soll sich bis 2030 auf 80 Prozent fast verdoppeln.

Ein Widerspruch? Gar nicht, findet Lemke. "Die zentrale Botschaft ist: Diese Bundesregierung geht die beiden Krisen gemeinsam an." Durch den Krieg in der Ukraine habe eine Lösung sogar noch zusätzliche Dringlichkeit bekommen. Schließlich sollen auch erneuerbare Energien helfen, rascher unabhängig von Energieeinfuhren aus Russland zu werden. "Mit diesen Regelungen lösen wir das bisherige Spannungsfeld auf", sagt sie. "Die Bremsklötze sind weg, und der Naturschutz wird gestärkt."

Dabei soll vor allem eine neue Klarheit helfen. So sollen im Bundesnaturschutzgesetz neue Standards verankert werden, nach denen sich "das Tötungs- und Verletzungsrisiko kollisionsgefährdeter Vögel" einstufen lässt, heißt es im Eckpunktepapier der beiden Ministerien. Im Zentrum steht eine Liste gefährdeter Brutvogelarten, die alle drei Jahre evaluiert werden soll. Im Umkreis der Brutplätze dieser Arten, meist um die 500 Meter, soll es "Tabubereiche" geben, in denen Windräder nicht gebaut werden sollen. Ein größerer Umkreis - je nach Art sind das 500 Meter bis zu fünf Kilometer - gilt als "Prüfbereich". Hier können Rotoren erst aufgestellt werden, wenn ein Gutachten die Artenschutzbedenken ausräumt.

Genehmigungen dauern fünf bis acht Jahre - das soll jetzt schneller gehen

Wichtiger noch ist, was außerhalb dieser Prüfbereiche gilt: nämlich nichts. Keine weiteren Prüfungen, keine zusätzlichen Auflagen. Stattdessen soll in Genehmigungsverfahren künftig eine "artenschutzrechtliche Ausnahme" gelten. Denn erneuerbare Energien sollen einen Sonderstatus bekommen: Sie liegen im "überragenden öffentlichen Interesse". Für die Behörden sei das ein "starker Abwägungshinweis", sagt Habeck.

Parallel solle auch ein "Artenhilfsprogramm" entstehen, das vom Bund mit 80 Millionen Euro ausgestattet werden soll. Auch Windkraftbetreiber sollen sich daran beteiligen, der Umfang ist noch unklar. Ohnehin sollen die bloß nicht überfordert werden. Zwar können sie mit speziellen Antikollisionssystemen oder gezielten Abschaltungen womöglich auch im strengeren "Prüfbereich" bauen. Allerdings sollen die Kosten nicht sechs Prozent ihres Ertrags überschreiten. Hauptsache, es wird jetzt schnell gebaut.

Bisher, sagt Habeck, habe ein Genehmigungsverfahren fünf bis acht Jahre gedauert. "Wenn wir das runterbringen auf diese Legislaturperiode, wäre das Lichtgeschwindigkeit." So gesehen haben die beiden Ministerien gerade vorgelegt - ursprünglich stand die Klärung des Disputs erst für den Sommer an. Jetzt soll sie noch zusammen mit dem sogenannten Osterpaket durch den Bundestag, das alle Ziele für die Erneuerbaren hochschraubt. "Ganz unglücklich verknotet" hätten sich Artenschutz und Windkraft, sagt Habeck. "Und dieser Knoten ist heute gelöst worden."

Das sehen betroffene Verbände offenbar ganz ähnlich. "Wir brauchen einen gewaltigen Kraftakt, um uns in Rekordtempo aus der Abhängigkeit von fossilen Energieträgern zu befreien", sagt Kai Niebert, der Chef des Deutschen Naturschutzrings. Deshalb begrüße man die Vorschläge - die allerdings "mit einer deutlichen Stärkung der biologischen Vielfalt in unseren Kulturlandschaften einhergehen müssen". Auch der Ökostrom-Verband BEE ist mit der Richtung einverstanden. Zwar seien noch nicht alle Hindernisse aus dem Weg geräumt. Es handele sich aber um einen "ersten, wichtigen Beitrag der beiden zuständigen Ministerien".

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