Wikileaks-Gründer Assange:"Von der Polizei hereingelegt"

Julian Assange wirft der schwedischen Justiz und Polizei Fehlverhalten vor. Diese hätten die Angst seiner angeblichen Opfer vor sexuell übertragenen Krankheiten ausgenutzt.

Der Wikileaks-Gründer Julian Assange hat der schwedischen Justiz und Polizei Fehlverhalten vorgeworfen. In einem Interview mit dem britischen Sender BBC äußerte der 39-jährige Australier die Vermutung, die beiden schwedischen Frauen, die ihm Vergewaltigung und sexuelle Nötigung vorwerfen, seien womöglich aus Angst vor sexuell übertragenen Krankheiten "in Panik" geraten, als sie hörten, dass er im August mit beiden Sex gehabt hatte.

WikiLeaks founder Julian Assange gets into his car outside Beccles police station in Suffolk

Julian Assange muss sich täglich in der Polizeistation von Beccles in Suffolk, England, melden.

(Foto: Reuters)

Sie hätten sich an die Polizei gewandt und um Rat gefragt. Darauf sei die Polizei sofort angesprungen und habe " die Frauen hereingelegt" sagte Assange in dem Interview, das im Haus von Vaughan Smith, einem seiner Unterstützer, geführt wurde. Es gebe auch andere Darstellungen, wonach die Frauen eine Gesetzeslücke ausnutzen wollten. Wer zur Polizei gehe, um sich Ratschläge zu holen, könne nicht wegen falscher Anschuldigung belangt werden, erklärte Assange.

Britische und schwedische Medien hatten zuvor berichtet, die beiden Frauen hätten Assange mit ihren Aussagen bei der Polizei zu einem HIV-Test zwingen wollen. Die Behauptung einer Betroffenen, sie habe geschlafen und sei aufgewacht, als Assange ungeschützten Sex mit ihr ausgeführt habe, wurde von einer Staatsanwältin als Vergewaltigung eingeschätzt. Diese setzte das Ermittlungsverfahren in Gang.

Vor diesem Hintergrund glaubt der Wikileaks-Gründer nicht, dass er in Schweden mit einem fairen Verfahren rechnen kann und wehrt sich deshalb gegen seine Auslieferung. Auch habe die schwedische Justiz in ihrem Auslieferungsantrag gefordert, dass er unter Kommunikationsverbot gestellt werde und dass sein schwedischer Anwalt nicht über den Fall sprechen dürfe, sagte der Internet-Aktivist der BBC.

Sein Angebot zu einem Interview über das Internet oder durch schwedische Beamte in England hätten die Behörden abgelehnt.

"Ich muss nicht nach Schweden zurück. Dem Gesetz nach habe ich gewisse Rechte, und diese Rechte bedeuten, dass ich nicht mit jedem beliebigen Staatsanwalt sprechen muss,der eine Unterhaltung haben möchte", sagte der Australier.

Assange war aufgrund eines von der schwedischen Justiz ausgestellten Haftbefehls in England festgenommen und dann gegen eine Kaution wieder freigelassen worden. Er muss bis zur Entscheidung über die Auslieferung im Anwesen seines Freundes in Südostengland bleiben, eine elektronische Fußfessel tragen und sich täglich bei der örtlichen Polizei melden.

Assange beschwerte sich über die teilweise Veröffentlichung eines schwedischen Polizeiberichts, in dem Einzelheiten der gegen ihn erhobenen Sex-Vorwürfe genannt werden. Die Weitergabe des vertraulichen Polizeiberichts an den britischen Guardian sei "eindeutig dafür bestimmt" gewesen, seinen Kautionsantrag zu untergraben, sagte Assange in einem Interview der Zeitung The Times.

Der Guardian habe die Informationen einen Tag vor der Gerichtsanhörung erhalten, bei der entschieden wurde, dass er auf Kaution freikomme, sagte Assange. Der Zeitungsbericht sei zeitlich so abgestimmt gewesen, dass er am Morgen der Anhörung "auf dem Schreibtisch des Richters" landen würde.

Der ehemalige Bundeskanzler Helmut Schmidt hat unterdessen die Schritte amerikanischer Firmen und Politiker gegen Assange als "unklug" verurteilt. "Das wirkt wie Rache, und das ist es auch", sagte Schmidt im Zeitmagazin.

Zu den Veröffentlichungen der geheimen US-Depeschen selbst zeigt Schmidt eine differenzierte Position. Bei Themen wie den Gefangenenlagern von Abu Ghraib oder Guantánamo gebe es eine "moralische Pflicht zur Veröffentlichung" von geheimen Dokumenten, erklärte Schmidt. "Aber es muss möglich bleiben, dass ein Gespräch, das zwei Personen miteinander führen, vertraulich bleibt."

Für die amerikanische Regierung seien "diese Veröffentlichungen eine schlimme Sache, die diplomatischen Beziehungen werden eine Zeit lang beeinträchtigt sein. Aber die Amerikaner werden das überwinden."

Assange hatte auf die Frage, ob Diplomaten nun ihre ehrliche Meinung nicht mehr zu Papier bringen könnten, erklärt: "Nein, sie müssen einfach beginnen, Dinge festzuhalten, auf die sie stolz sind". Seine Mission sei es, die Gerechtigkeit zu stärken mit Hilfe von Transparenz.

"Die Welt hat eine Menge Probleme, die behoben werden müssen", sagte er der BBC. "Und wir leben nur einmal. " Jeder Mensch mit einem anständigem Charakter habe Möglichkeiten und die Pflicht, die Probleme in seiner Umgebung zu beheben.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: