Wikileaks-Dokumente:Araber drängten zu Militärschlag gegen Iran

Brisante Prozesse in Nahost: Laut den Wikileaks-Dokumenten paktieren mehrere arabische Staaten aus Furcht vor Iran mit den USA. Einige forderten Washington zum Angriff auf.

T. Avenarius und P.-A. Krüger

Wenn es um Iran geht, zeigen sich die arabischen Staaten ängstlich: Die von der Enthüllungs-Plattform Wikileaks veröffentlichten Depeschen zwischen US-Botschaften und dem Außenministerium in Washington zeichnen ein Bild, nach dem die Araber-Führer nichts mehr fürchten als Teherans Atomprogramm - und zumindest manche von ihnen ein militärisches Vorgehen befürworten.

Ahmadinedschad besucht Beirut

Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad im Libanon.

(Foto: dpa)

In den Dokumenten wird Ägyptens Präsident Hosni Mubarak mit den Worten zitiert: "Wir haben alle Angst." Die Führer von Staaten wie Saudi-Arabien, Jordanien oder Bahrain forderten in informellen Gesprächen mit US-Diplomaten, die USA sollten das Atomprogramm notfalls mit Luftangriffen zerstören.

Dies steht im Gegensatz zu den öffentlichen Beteuerungen der arabischen Staaten, das Iran-Problem friedlich lösen zu wollen, weil ein weiterer Krieg im Nahen Osten die Region ins Chaos stürzen würde. Die betroffenen Regierungen müssen nun mit Protesten der Bevölkerung rechnen, die weitere US-Kriege gegen muslimische Staaten ablehnen.

Saudi-Arabien habe die USA direkt aufgefordert, Iran zu bombardieren, zitieren Guardian und New York Times aus den Papieren. König Abdullah vertrete die Ansicht, Irans Ziel sei, "Probleme zu verursachen und der Welt Angst einzuflößen". Der "Schlange" müsse "der Kopf abgeschlagen werden". Als Hardliner zeige sich auch Mohamed bin Zayed, Kronprinz von Abu Dhabi. Falls Iran Atomwaffen baue, würden Ägypten, Saudi-Arabien und die Türkei nachziehen. Zudem würde ein weltweiter Konflikt zwischen Sunniten und Schiiten ausbrechen. Ein baldiger konventioneller Krieg sei besser als die langfristigen Konsequenzen eines nuklear bewaffneten Iran.

Als offener Befürworter eines Angriffs sei Israels Verteidigungsminister Ehud Barak aufgetreten. Mitte 2009 habe er gesagt, es gebe ein "Zeitfenster von sechs bis 18 Monaten, von jetzt an". Danach würde ein Militärschlag "zu nicht akzeptablen Kollateralschäden führen". Aus den Papieren gehe hervor, dass Israel bereit sei, Iran selbstständig anzugreifen. US-Quellen beschrieben das Drängen der Israelis als "stärker als je zuvor", US Verteidigungsminister Robert Gates sagte seinem damaligen französischen Kollegen Hervé Morin, Israel sei zu einem Luftschlag in der Lage.

Golfstaaten fürchten Gegenschläge

Die Golfstaaten als Nachbarn Irans fürchteten Gegenschläge als Folge eines Angriffs. Sie fordern von den USA eine sehr enge militärische Zusammenarbeit vor allem bei der Luftabwehr, die inzwischen in der Umsetzung ist. So habe der Kronprinz von Abu Dhabi sich besorgt gezeigt, dass er nicht die militärischen Mittel habe, "um seine Leute zu verteidigen, wenn ein Krieg mit Iran ausbricht". Der Krieg sei "nur eine Frage des Wann und nicht des Ob". Zugleich zeigen Äußerungen des damaligen US-Oberbefehlshabers im Nahen Osten, David Petraeus, dass die USA die Iran-Ängste auch als Mittel sahen, die arabischen Staaten zu engerer Zusammenarbeit zu bewegen: Iran sei "das beste Rekrutierungsinstrument". Die Zahl der Abkommen zur Militärzusammenarbeit mit den Arabern "hat deutlich zugenommen".

Zudem zeigt eine Meldung vom 24. Februar dieses Jahres, dass die US-Geheimdienste annehmen, dass Nordkorea den Iranern 19 komplette Mittelstreckenraketen geliefert hat, die große Teile Europas erreichen könnten, auch Deutschland. Nordkorea hatte die als Musudan bezeichnete Rakete erstmals im Oktober bei einer Militärparade gezeigt. Sie ist offenbar eine Weiterentwicklung der von der Sowjetunion 1988 ausgemusterten U-Boot-Waffe R-27, die Atomsprengköpfe tragen konnte. Während die sowjetische Rakete 9,65 Meter lang war, maßen die in Pjöngjang vorgeführten Attrappen zwölf Meter. Nordkorea könnte versucht haben, die ursprüngliche Reichweite von 2400 auf mehr als 3000 Kilometer zu steigern. Iran soll die Geschosse als Grundlage zur Entwicklung von Interkontinentalraketen nutzen.

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