Wiesbaden:Kinderpornos im Stadtarchiv

Im Nachlass eines Lehrers, der an einer hessischen Reformschule unterrichtete, findet eine Reporterin Tausende Bilder nackter Kinder. Der Pädagoge hatte auch dann noch Kontakt zu Schülern, als seine Neigung bekannt war.

Tanjev Schultz

Im Stadtarchiv von Wiesbaden sind zahlreiche kinderpornographische Aufnahmen entdeckt worden. Wie die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (FAS) berichtet, beschlagnahmte die Polizei Tausende Negative, nachdem eine Reporterin sie in dem Archiv gefunden hatte. Es handle sich um den Nachlass des Fotografen und Kunstlehrers Hajo Weber, der an der Helene-Lange-Schule in Wiesbaden unterrichtete, einer bundesweit bekannten Reformschule. Weber starb vor zwei Jahren. Die frühere Leiterin der Schule, Enja Riegel, die auch durch Fernsehauftritte bekannt ist, sagte der Süddeutschen Zeitung, sie habe von den kinderpornographischen Aufnahmen keine Kenntnis gehabt.

Fachtagung zum Thema Schulverweigerer

Hajo Weber wurde vom Unterricht freigestellt - trotzdem kam er immer wieder an seine alte Schule.

(Foto: dpa)

Es gibt in dem Fall personelle Verbindungen zur Odenwaldschule in Heppenheim, an der jahrzehntelang Schüler missbraucht wurden. Enja Riegel und der Kunstlehrer Hajo Weber arbeiteten mit Gerold Becker zusammen, dem früheren Leiter der Odenwaldschule. Sie publizierten gemeinsam ein Buch über die Helene-Lange-Schule. Weber beteiligte sich 1994 an einer Fotoausstellung über die beiden Schulen. Anlass war eine Preisverleihung an den Pädagogen Hartmut von Hentig, den Freund Beckers.

Weber tauchte immer wieder an der Schule auf

Laut FAS stammen die jetzt beschlagnahmten Fotos aus den siebziger und achtziger Jahren. Darauf seien laut Beschriftung unter anderem auch Schüler der Helene-Lange-Schule zu sehen. Der Lehrer und Fotograf Weber war 1986 an diese Gesamtschule gekommen. Zuvor soll er an einem Oberstufengymnasium unterrichtet haben. Nach Riegels Darstellung wurde Weber 1989 vom Unterricht freigestellt, nachdem Riegel von sexuellen Übergriffen auf mehrere Jungen erfahren hatte. Strafanzeige wurde nicht gestellt.

Weber sollte eine Therapie machen und nicht mehr mit Kindern arbeiten. Er war dann für das hessische Institut zur Lehrerfortbildung tätig, wo auch Becker arbeitete. Weber tauchte dennoch weiter an der Helene-Lange-Schule auf und war ihr mit einem Teil seiner Arbeitszeit zugeordnet. Bei Schulfesten und Aufführungen fotografierte er. Außerdem stieß er bei der Exkursion einer Klasse an die Nordsee dazu, um dort Aufnahmen zu machen. Riegel sagte der SZ, sie bedauere, dass Weber noch nach Bekanntwerden von Übergriffen für die Schule tätig blieb: "Heute würde ich das nicht mehr zulassen. Ich bereue es zutiefst, dass ich das zugelassen habe."

Ehemalige der Odenwaldschule werfen Enja Riegel vor, sie habe sich damals auch nicht von Gerold Becker distanziert, als 1999 erstmals Vorwürfe gegen diesen öffentlich wurden. Riegel habe sich nie die Mühe gemacht, mit den Opfern Kontakt aufzunehmen. Riegel publizierte 2004 ein weithin beachtetes Buch über Schulreformen, in dem sie "Gerold Becker, meinem Freund" herzlich dankt. Heute betont sie, sie verurteile sexuelle Gewalt "aufs allerschärfste".

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