Wiesbaden:Hessens CDU probt Oppositionsarbeit

Die Abgeordneten sticheln gegen die mögliche Koalition Rot-Grün-Rot und versuchen, die Linke zu diskreditieren.

Christoph Hickmann

Man schreibt das Jahr 2008 und der hessische Landtag befasst sich mit einer verabscheuungswürdigen Tat aus dem Jahr 1919. Am Rednerpult steht Janine Wissler, stellvertretende Linken-Fraktionsvorsitzende. Sie redet über die Ermordung Rosa Luxemburgs sowie Karl Liebknechts. Der Tagesordnungspunkt heißt: Aktuelle Stunde.

Wiesbaden: Roland Koch (rechts) und die CDU machen im hessischen Landtag mächtig Lärm gegen die SPD und die Linke .

Roland Koch (rechts) und die CDU machen im hessischen Landtag mächtig Lärm gegen die SPD und die Linke .

(Foto: Foto: dpa)

Wissler hat sich das teilweise selbst eingebrockt, sie hat in einem Interview gesagt, dass ihre Partei schon mehrfach erklärt habe, wie sie zum Grundgesetz stehe sowie zur DDR, und dass man ja auch einmal von der SPD fordern könne, ihre Fehler aufzuarbeiten. Die SPD sei ja für die Ermordung Luxemburgs und Liebknechts verantwortlich.

Darüber wollte nun die CDU an diesem Donnerstag debattieren, ihr Parlamentarischer Geschäftsführer hat gesagt, dass dies ein Angriff auf alle Demokraten sei; dann hat der SPD-Abgeordnete Gerhard Merz die Sache recht hübsch auf den Punkt gebracht: "Es geht Ihnen nicht um zwei tote Kommunisten", hat er seinem Vorredner geantwortet, "sondern um sechs lebendige" - oder jedenfalls jene sechs Leute, welche die CDU für Kommunisten halte: die Landtagsfraktion der Linkspartei. Der geschäftsführende Ministerpräsident hört sich das alles in Ruhe an.

Es geht der CDU ums Provozieren

Es ist eine besondere Plenarsitzung in Wiesbaden, es könnte die letzte sein, in der Roland Koch auf dem Sessel des Regierungschefs sitzt und dort auch sitzen bleibt. Erst Mitte November ist der Termin für die nächste reguläre Sitzung, und wenn bei SPD, Grünen und Linken alles läuft, wie es laufen soll, könnte sich Andrea Ypsilanti schon vorher in einer Sondersitzung zur Ministerpräsidentin wählen lassen.

Koch hat mehrmals geredet in den vergangenen Tagen, an diesem Morgen bleibt er erst einmal sitzen. Seine CDU macht das schon: Sie macht Lärm. Es ist die vorerst letzte Gelegenheit, bevor die rot-grün-rote Mehrheit sich auf den entscheidenden Abschnitt ihres recht langen Weges zur Macht begibt.

Es geht der CDU, aber auch der FDP ums Provozieren, darum, kleine Eklats zu produzieren wie am Tag zuvor, als der Linken-Fraktionschef Willi van Ooyen sich dazu hinreißen ließ, im Zusammenhang mit dem Bundeswehr-Einsatz in Afghanistan die Worte "schießwütig" und "Schreibtischtäter" zu sagen. Es geht darum, Rot-Grün-Rot zu spalten wie am Dienstagabend bei der Beamtenbesoldung, als CDU und Grüne sich gemeinsam gegen SPD und Linke durchsetzten, während die FDP sich enthielt.

Und es geht darum, die Linkspartei zu diskreditieren, welche dazu immer wieder fleißig ihr Scherflein beiträgt. Im Grunde genommen führt vor allem die CDU wieder vor, was sie in Hessen bis zu Kochs Wahlsieg von 1999 bereits mustergültig inszeniert hat: Oppositionsarbeit der härteren Gangart - bevor es überhaupt einen Regierungswechsel gegeben hat.

Wettern gegen "illegal errichtete" Bürohütte

Dazu gehört die Erwähnung der Tatsache, dass sich Ypsilanti am Abend zuvor mit Gregor Gysi getroffen hat, und dazu gehört jener dringliche Entschließungsantrag von CDU und FDP, der nach der Mittagspause vorliegt. Es geht darum, dass die Linke meinte, sie müsse ein Fraktionsbüro im Kelsterbacher Wald eröffnen. Es handelt sich dabei um eine Hütte, die zu einem Hüttendorf von Widerständlern gegen den Ausbau des Frankfurter Flughafens gehört.

Der Magistrat der Stadt Kelsterbach hat die Linke aufgefordert, die Hütte sofort wieder abzubauen, da sie "illegal errichtet wurde". Nun wollen CDU und FDP den Landtag nochmals beschließen lassen, dass die Linke ihre Bürohütte bis zu diesem Freitag abzubauen habe. Der Haken daran ist, dass der Landtag bereits tags zuvor mit den Stimmen von CDU, SPD und FDP den Bau verurteilt und die Linke aufgefordert hatte, "diesen rechtswidrigen Zustand unverzüglich zu beenden".

Die Dringlichkeit wird daher abgelehnt, SPD, Grüne und Linke setzen sich durch. Roland Koch geht zurück zur Regierungsbank. Er schüttelt nur den Kopf.

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