Süddeutsche Zeitung

Wien:Ex-Botschafter Kasachstans tot in Zelle gefunden

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Von Christoph Giesen, Berlin

Es ist ein verworrener Fall, der nun offenbar ein tragisches Ende genommen hat: Rachat Alijew, der ehemalige Botschafter Kasachstans in Österreich, ist am Dienstagmorgen tot in seiner Zelle in Wien aufgefunden worden. Seit vergangenem Sommer saß der 52-Jährige in Untersuchungshaft. Voraussichtlich im April hätte ein Prozess wegen Doppelmords gegen ihn beginnen sollen. Es wäre eines der spektakulärsten Verfahren seit Jahren gewesen. Die Gefängnisleitung gab in einer ersten Stellungnahme an, dass es sich um Suizid handele. Alijews Verteidiger zweifeln jedoch daran. "Die Vermutung ist, dass ihn jemand umgebracht hat", sagte Stefan Prochaska, einer der Anwälte Alijews, der österreichischen Nachrichtenagentur APA.

Unstrittig ist, dass Alijew am Dienstag gegen zwei Mitgefangene hätte aussagen sollen. Laut Anklage sollen die beiden Alijew erpresst haben. Wenn er nicht 3000 Euro zahle, könne ihn jemand im Duschraum umbringen und dies wie eine Selbsttötung aussehen lassen, heißt es in der Anklageschrift. Die mutmaßlichen Schutzgeld-Erpresser wiesen am Dienstag in ihrem Verfahren die Vorwürfe zurück.

Alijew, der sich nach Scheidung und Wiederheirat Rachat Shoraz nannte, war der ehemalige Schwiegersohn des kasachischen Despoten Nursultan Nasarbajew. In seiner Heimat war Alijew lange Zeit ein mächtiger Mann. Nach der Hochzeit mit der Präsidententochter machte er rasch Karriere. Er gründete eine Bank und leitete später die kasachische Steuerfahndung, sogar zum Vize-Chef des Geheimdienstes stieg er auf. Im Januar 2007 wurde Alijew jedoch entmachtet und als Botschafter nach Wien abgeschoben. Offenbar hatte er einen Machtkampf gegen den Schwiegervater verloren.

In Abwesenheit wegen Mordes zu 20 Jahren Haft verurteilt

Im Sommer 2007 wurde er dann als Botschafter abberufen - Ermittlungen in der Heimat folgten, danach Haftbefehl und Auslieferungsersuchen. Alijew, so der Vorwurf, trage eine Mitschuld am Verschwinden zweier Manager eben jener Bank, die er mitgegründet hatte. Erst Jahre später wurden die verscharrten Leichen der beiden Banker in Kasachstan gefunden. 2007 lehnte Österreich jedoch das Auslieferungsersuchen ab, mit der Begründung, dass Alijew in Kasachstan kein faires Verfahren zu erwarten habe. Der ehemalige Botschafter bekam eine Aufenthaltsgenehmigung und später auch einen österreichischen Fremdenpass ausgestellt.

Ein Gericht in Kasachstan verurteilte Alijew 2008 unterdessen in Abwesenheit wegen Mordes zu 20 Jahren Haft. Alijew bestritt die Vorwürfe und gab an, die Zeugen seien unter Druck gesetzt worden. Ein Gutachten des österreichischen Bundeskriminalamts kam jedoch später zum Schluss, dass die Zeugen glaubwürdig seien. Und das Landgericht Wels urteilte 2012, die Beweislage sei "geradezu erdrückend". Aber da war Alijew längst außer Landes. Lange hielt er sich offenbar auf Malta auf. Im Sommer 2014 stellte sich Alijew schließlich den österreichischen Behörden und saß seitdem in Untersuchungshaft in Wien.

"Die Todesursache und der Hergang müssen genauestens aufgeklärt werden, damit kein Raum für Verschwörungstheorien bleibt", forderte am Dienstag Gabriel Lansky. Er vertritt als Anwalt die Witwen der beiden Bankmanager. Der Prozess gegen die beiden mutmaßlichen Komplizen Alijews müsse wie geplant beginnen, sagte er. Nun ermittelt aber erst einmal die Staatsanwaltschaft.

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SZ vom 25.02.2015
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