Man muss damit rechnen, dass sich Heinz-Christian Strache für die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) als ein noch größeres politisches Talent erweist als sein toter Mentor Jörg Haider. Ein mäßiger Rhetor, eher aufgeregt als charismatisch, ist er ein stetiger, zäher Arbeiter am Bindungsgeflecht zur eigenen Klientel. Und er ist Macho genug für die autoritär Gewirkten, ungebildete junge Männer sind seine stärksten Bataillone. Der unstete Alpen-Ayatollah Haider hatte sein eigenes Werk mit zynischem Überschwang stets selbst wieder eingerissen.
Strache schickt sich an, die FPÖ zu dem zu machen, was Haider gerne erreicht hätte: zur neuen Arbeiterpartei Österreichs. Die Wahl in der Hauptstadt Wien am Sonntag belegt dies eindrucksvoll. In den tiefrot geprägten Arbeiterbezirken haben die Sozialdemokraten immens an die FPÖ verloren, die mancherorts auf über 30 Prozent kam.
Wien ist eine sehr reiche Stadt, viele haben hier viel zu verlieren. Präkariatsnahe Schichten, irritiert von Arbeitsplatzängsten und der Gefahr, in die Armut abzurutschen, treibt das intensiv um. Diese Angst düngt Strache intensiv mit Hass auf noch ärmere Teufel, auf Fremde und Asylbewerber. Typisch, dass er etwa in der serbischen Volksgruppe, einer extrem autoritär verfassten Parallelgesellschaft in Wien, mächtig punkten konnte: Zuwanderer der ersten Welle werden von Angst vergiftet, die Nachkömmlinge könnten denen, die es geschafft haben, wieder etwas wegnehmen.
Österreich hat keine linke Opposition, keine linke Alternative. Also laden Frust, Irritation, Angst ausschließlich die äußerste Rechte auf. Als Rapsode des Hasses schreckte Straches FPÖ nicht einmal davor zurück, in einem Wahl-Comic den rassisch untadeligen blond-blauäugigen Arierbuben dazu anzuhalten, dem dunklen "Mustafa" eins mit der Steinschleuder draufzubrennen. Taktisch klug hat sich die FPÖ allein auf das Ausländer-, das Integrationsthema geworfen, hat ihre Klientel hysterisiert und keinerlei andere Angriffsflächen geboten.
Die Grünen, die tapferen Integrierer, wären so gerne, wenn schon nicht die linke, so doch eine soziale Alternative. Sie haben jedoch in einem Prozess der normalisierenden Verflachung die Attraktion des konstruktiven Aufruhrs, der originellen Utopie eingebüßt; nur die Rolle des rechtsstaatlichen Gralshüters hat überdauert, für die sich die verfassungsfernen Wiener und Österreicher aber nicht interessieren.
Dennoch wäre Wiens Bürgermeister Michael Häupl mit seiner SPÖ gut beraten, nun mit den Grünen zu koalieren. Wiens SPÖ hat die absolute Mehrheit verloren, was ein so tiefer Einschnitt ist wie bei der CSU in Bayern. Wien ist sehr gut verwaltet, dennoch macht ewige Machtausübung müde und unoriginell. Nur der Bund mit einer alternativen Ideenwelt könnte so etwas wie einen Neubeginn signalisieren.
Lieber die FPÖ als die schlechte Kopie
Sonst bliebe nur die für Österreich fast unvermeidliche Koalition der SPÖ mit den Christsozialen. Die Republik lebt seit Jahrzehnten auf allen Ebenen mit diesem Modell, das zwar die Sicherheit des Altgewohnten bietet, vielen aber wie ein Alpdruck das Elend des Nachkriegs-Österreichs verkörpert: Das rot-schwarze Kartell war das Feindbild, das schon Haider groß gemacht hat - und das, wird es in Wien neuerlich zum Maßstab aller Dinge, Strache und seine FPÖ weiter groß und größer machen wird.
Zudem ist die ÖVP am Sonntag auf das Format einer Splitterpartei geschrumpft. Auch sie hatte versucht, mit dem Integrationsthema zu spielen. Die dafür anfälligen Wähler haben aber lieber gleich das Original der FPÖ statt des schlecht kopierten ÖVP-Abklatsches bevorzugt.
Allenfalls mit den Grünen fände die Stadt Wien den Mut, ihren beträchtlichen Reichtum direkt zur Entflechtung bildungspolitischer und sozialer Problemknoten einzusetzen. Das hat man bislang versäumt - und von diesem Mangel nährt sich stetig die extreme Rechte.