Anschlag in Wien:"Unverantwortlich und degoutant"

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Was darf gezeigt werden? Darüber ist in Österreich eine heftige Debatte entbrannt - Beamte der Spurensicherung am Tatort in Wien. (Foto: Herbert Pfarrhofer/dpa)

Videos von blutenden Opfern: Hunderte Beschwerden richten sich nach dem Anschlag in Wien gegen die Berichterstattung österreichischer Boulevardmedien.

Von Leila Al-Serori, Wien

Es dauerte nicht lang. Gerade waren die ersten Eilmeldungen zum Terroranschlag in Wien auf den Handys aufgeploppt, da folgten, nur wenige Minuten später, die ersten wackeligen Videos in den sozialen Netzwerken. Augenzeugen hatten offenbar die hektischen Szenen in der Wiener Innenstadt gefilmt. Man hörte Schüsse auf den Aufnahmen, sah panisch davonlaufende Personen, auf einem Video war der mutmaßliche Täter zu sehen, wie er auf Menschen zielte und dann kaltblütig abdrückte. Ein weiteres zeigte den Außenbereich eines Lokals und einen Mann in einer Blutlache.

Obwohl solche Videos schwer auf die Schnelle zu verifizieren sind, Panik schüren und vor allem die Arbeit der Polizei erschweren, verbreiteten sie sich in Windeseile über mehrere Kanäle - und fanden ihren Weg auch auf größere Nachrichtenseiten des Landes.

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Die Polizei in Wien forderte eindringlich auf, Videos den Behörden zukommen zu lassen und nicht online zu stellen, da dies sowohl Einsatzkräfte als auch die Bevölkerung gefährden könne. "Anlässlich der schrecklichen Attacken in Wien weisen wir eindringlich auf den Persönlichkeitsschutz der Opfer hin", appellierte zudem der Österreichische Presserat auf Twitter.

Die Boulevardblätter Krone und Österreich (Oe24) zeigten dennoch die Videos und auch die Schüsse auf Menschen stundenlang auf ihren Online-Seiten, machten sogar mit Screenshots ihre Artikel auf. Erst als immer mehr Kritik an den Bildern auch der Opfer aufkam, wurden sie teilweise entfernt. 700 Menschen beschwerten sich allein bis Dienstagmorgen beim österreichischen Presserat wegen der Berichterstattung. So viele Beschwerden aus einem Anlass verzeichnete das Kontrollorgan eigenen Angaben zufolge noch nie.

Ähnlich wie in Deutschland ist der Österreichische Presserat ein freiwilliges Selbstkontrollorgan der Branche. Dem Kodex verschrieben haben sich fast alle Medien des Landes - mit Ausnahme der Kronen Zeitung, die schon mehrmals wegen ihrer Berichterstattung gerügt wurde. Österreich/Oe24 erkennt den Pressekodex hingegen an. Der Verein Medienjournalismus Österreich verurteilte die Veröffentlichungen als "unverantwortlich und degoutant". Sie gäben "den Tätern eine Bühne". Mehrere Supermarktketten wollen als Reaktion auf die umstrittene Berichterstattung keine Werbeanzeigen mehr bei Oe24 schalten.

Herausgeber Wolfgang Fellner erklärte, man habe die Videos nach der Kritik entfernt, er verteidigte aber deren Publikation. Sein Medium habe "in keinem einzigen Fall eine Identität verletzt", die Videos hätten "primär" den Schützen gezeigt. In Deutschland veröffentlichte unter anderem auch die Bild-Zeitung Bilder des schießenden Attentäters auf ihrer Homepage, was ebenfalls Kritik hervorrief.

Der Umgang von Medien mit Terrorakten ist immer wieder Gegenstand von Kontroversen. Nach dem Terroranschlag im neuseeländischen Christchurch hatten sich mehrere größere Medienhäuser verpflichtet, dem Attentäter keine Plattform für seine rassistische Weltanschauung zu bieten und ihn nicht zu zeigen. Die SZ hat sich auch im Falle von Wien entschieden, den Schützen nicht abzubilden.

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