Wiedergeburt der "Forza Italia":Berlusconi versucht die alten Tricks

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Silvio Berlusconi gründet die Partei "Forza Italia" neu.

(Foto: AFP)

Berlusconis Partei hat sich gespalten, die Macht des Ex-Premiers hat gelitten. Doch der tut vor seinen Anhängern weiter so, als stünde der wieder gegründeten "Forza Italia" eine goldene Zukunft bevor. Dabei ist die Zahl der Abtrünnigen beachtlich.

Eine Analyse von Andrea Bachstein, Rom

"Grazie, grazie, grazie", sagt Silvio Berlusconi am Ende, "es lebe Forza Italia", dann setzt auch schon die zuckersüße Hymne vom Band ein: "Forza Italia, damit wir frei sind". Einstimmig haben gerade die Delegierten des Parteirats eine Wiedergeburt beschlossen, nämlich die der ersten Partei von Italiens Ex-Premier. Diejenigen, die sich jetzt wieder "Forza Italia" nennen, haben sich abgespalten von der Bewegung "Volk der Freiheit" (PDL).

Sie - allen voran Berlusconi - haben sich mit dem bisherigen PdL-Chef und Vizepremier Angelino Alfano gründlich überworfen. Die Fronten in der PdL hatten sich zuletzt in der Frage verhärtet, wie sich die Partei bei einem möglichen Ausschluss des wegen Steuerbetrugs rechtskräftig verurteilten Berlusconi aus dem Senat verhält. Moderate Mitglieder der Berlusconi-Partei hatten in einer Vertrauensabstimmung Anfang Oktober Regierungschef Enrico Letta den Verbleib im Amt ermöglicht.

Was da nun am Samstagmittag in Rom passiert, ist eine große Silvio-Show. Die wochenlangen Fehden in der bisherigen Berlusconi-Partei PdL scheinen nicht existent, Widerworte fallen hier keine. Denn die Kritiker sind gar nicht erst erschienen im Kongresszentrum im römischen EUR-Viertel, fast ein Drittel der Partei-Delegierten fehlt.

Berlusconis Gegner schafft Fakten

Schon am Abend zuvor sind die Fakten geschaffen worden - es wird eine weitere Mitte-Rechtspartei in Italien geben neben der von Berlusconi. Alfano und andere regierungstreue Abgeordnete hatten die Gründung einer eigenen Gruppe namens "Nuovo Centrodestra" (Neue Rechte Mitte) angekündigt.

Berlusconis Macht im eigenen Lager ist so oder so deutlich dezimiert, einen solchen Aufstand gegen ihn hat es dort in mittlerweile fast 20 Jahren noch nicht gegeben. "Verräter" und "Clowns", rufen die Delegierten empört, wenn Berlusconi die Abtrünnigen im Kongresszentrum in seiner Rede erwähnt.

Die Wege trennen sich nun zwischen denen, die ohne Wenn und Aber mit dem 77-Jährigen in die Forza Italia (FI) wechseln, und denen aus der bisherigen PdL, die sich emanzipieren wollen von Parteigründer Berlusconi - und die vor allem nicht bereit sind, auf sein Geheiß die Regierungskoalition unter Ministerpräsident Letta zu Fall zu bringen. Die Schuld an der Trennung weisen sich beide Seiten gegenseitig zu.

Vizepremier Alfano, den Berlusconi vor zwei Jahren zu seinem Kronprinzen gekürt hat, führt die Abtrünnigen an, einige gehörten viele Jahren zu den wichtigsten Exponenten der PdL. Sie planen bereits Fraktionen in Senat und Abgeordnetenhaus, Alfano will seine Mannschaft am Samstagabend präsentieren. Von den 96 bisherigen PdL-Abgeordneten sollen mindestens 27 Alfano folgen.

Wie geht es weiter im Senat?

Für den Bestand der Regierung hat diese Veränderung kaum Einfluss, die sozialdemokratische PD hat in dieser Parlamentskammer ohnehin die absolute Mehrheit. Entscheidend sind die Zahlen im Senat, wo die PD zum Regieren auf Partner angewiesen ist. 30 bis 37 Senatoren seien Berlusconi abtrünnig, heißt es aus ihren Kreisen. Das wären genug, um auch dort der Koalition das Überleben zu garantieren.

Der Samstag ist für Berlusconi eigentlich ein Tag der Niederlage, in seiner Rede vor den Parteidelegierten sagt er auch, er habe aus Schmerz über die Spaltung nicht geschlafen. Aber er war nie einer, der sich freiwillig in die Verlierer-Rolle begibt. Strahlend betritt er den Saal, wo die Delegierten schon mehr als eine Stunde auf ihn gewartet haben. Auf dem Weg zur vordersten Reihe muss er sich durch begeisterte Händeschüttler durcharbeiten.

Dann steigt Berlusconi auf die Bühne zum Rednerpult, anderthalb Stunden wird er sprechen und am Ende ein bisschen schwächeln, bleich werden unter der Schminke, so dass sein Arzt zu ihm eilt und ein Glas Wasser reicht. Doch zuvor holt der 77-Jährige weit aus , spricht von der Freude, dass nun die Forza Italia wiederentsteht, "die uns immer am Herzen lag".

Berlusconis Lieblingsthemen

Seine Rede ist ein Potpourri seiner Lieblingsthemen. Er wettert gegen die Justiz, die unkontrollierbar sei, ihn verfolge, um eine linke Regierung an die Macht zu bringen, "in keinem anderen zivilisierten Land gibt es das." Sie müssten zusammenhalten gegen die Linke. Und als hätte der Kalte Krieg nie geendet, beschwört er die Gefahr des Kommunismus, "den ich kenne, seit ich zwölf Jahre alt war", mit bebender Stimme nennt er ihn "die kriminellste und unmenschlichste Ideologie der Welt." Keiner könne sich mehr seines Eigentums, seiner Rechte, seiner Freiheit sicher sein.

So wie er sich der völlig unvernünftigen verkehrten Europa aufgezwungenen deutschen Sparpolitik widersetzen will. Die Zentralbanken sollten stattdessen gegen die Krise "eine Schutzwand aus Geldscheinen" bauen. Dass er Angela Merkel das angeblich verächtliche Lächeln über ihn beim EU-Gipfel 2011 nie verziehen hat, wird mehr als deutlich. Berlusconi zückt seine ganz alten Karten in dieser Rede, dieselben wie zu Beginn seiner Politikkarriere 1994. Er appelliert an Ängste der Bürger vor fremden Wirtschaftsmächten, aber auch vor Europa, vor den Linken.

Aber die Delegierten finden es großartig, immer wieder stehen sie auf, um Berlusconi zu applaudieren und "Silvio, Silvio" zu rufen. Natürlich geht Berlusconi auch auf die Spaltung seiner Partei ein. Bis zuletzt habe er sie zu verhindern versucht. Man sei sich auch einig gewesen über Inhalt und Programme für die neue FI, doch leider sei alles an Personalfragen gescheitert.

Eine Tür bleibt offen

Die Abtrünnigen sehen das naturgemäß anders. Sie halten es schlicht für unverantwortlich, wegen Berlusconi die Regierung zu stürzen. Der hält dagegen: Es sei für seine Partei nicht möglich, weiter am selben Regierungstisch mit Leuten zu sitzen, die ihn "politisch töten" wollten, ereifert er sich, und die Delegierten sind da ganz bei ihm. Das zeigt ihr Applaus. 613 von ihnen sind aus ganz Italien gekommen. Das heißt, dass mehr als 250 ferngeblieben sind, die meisten vermutlich, weil sie nicht der neuen FI beitreten wollen.

Eine Tür hat Berlusconi trotz aller Wut auf "die Verräter" vorsichtshalber schon mal aufgemacht: "Mit Alfanos Partei werden wir koalieren können." Die Partei-Deputierten sind auch damit einverstanden. Sie sind gekommen, um zu huldigen, nicht, um Fragen zu stellen. Da ist sie wieder die Partei, die Berlusconi immer schon wollte.

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