Syrien:Land der Ruinen

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Nichts als Ruinen: Ein Bild aus Damaskus. (Foto: Spencer Platt/Getty Images)

Nach dem Ende des Assad-Regimes braucht Syrien hohe Milliardenbeträge für den Wiederaufbau. Aber wer hilft? Die Frage ist hochpolitisch, denn wer zahlt, will auch viel Einfluss.

Von Raphael Geiger, Istanbul

Ruinen, nichts weiter. Wer in den vergangenen Wochen durch Syrien gereist ist, sah ein Nachkriegsland, geprägt von den jahrelangen Kämpfen, dem Artilleriebeschuss, den Luftangriffen. Kaum hat man das Zentrum von Damaskus verlassen, fährt man durch Vororte, in denen kaum noch ein Haus steht. Ähnlich ist es in Vierteln von Homs, im Osten von Aleppo, eigentlich in jeder größeren syrischen Stadt. Selbst dort, wo seit den letzten Kriegshandlungen viel Zeit vergangen ist, blieb die Zerstörung. Und auf dem Land? Sieht man, was der jahrelange Mangel mit Syrien gemacht hat.

Oft sind die Regale in den Läden leer, eine Wirtschaft, die den Namen verdient hätte, gibt es kaum noch. Das Bruttoinlandsprodukt lag manchen Schätzungen zufolge bei weniger als zehn Milliarden US-Dollar, andere sahen es etwas höher, in jedem Fall gehört Syrien zu den ärmsten Ländern der Welt. Tagsüber bilden sich Schlangen vor den wenigen Bäckereien, und nachts wird es dunkel auf den Straßen, es fehlt an Strom, um sie zu beleuchten.

Die Türkei bringt sich in Stellung

Ein ausgemergeltes Land. Eines, das sich zwar, zur Überraschung der Welt, im Dezember selbst von seinem Diktator befreit hat. Für einen Neuanfang aber wird es Hilfe aus dem Ausland brauchen.

An diesem Donnerstag kommen Außenminister aus dem Westen und den arabischen Staaten in Paris zusammen, darunter auch Annalena Baerbock, die zusammen mit ihrem französischen Amtskollegen schon Anfang Januar in Damaskus war und dort den syrischen Übergangspräsidenten Ahmed al-Scharaa traf. In Paris geht es um Syriens Zukunft, und vor allem geht es um die Frage, die für das Land zentral ist: Wer baut es wieder auf?

Dafür braucht es einerseits Geld und andererseits Koordinierung. Der Wiederaufbau ist auch eine politische Frage, denn wer viel hilft, dürfte sich davon im neuen Syrien auch Einfluss erhoffen. Ihren politischen Einfluss baut im Moment in erster Linie die Türkei auf, wohin Präsident Scharaa vergangene Woche gereist ist. In Ankara geht man davon aus, dass die türkische Armee die neue syrische Armee ausbilden wird. Auch von neuen türkischen Basen in Syrien ist die Rede.

Scharaas erstes Ziel auf seiner Reise aber war Saudi-Arabien. Es ist klar, dass der Präsident sich von der saudischen Monarchie finanzielle Hilfe erhofft, ebenso wie von Katar. Das Emirat hat schon angekündigt, dass es Damaskus für eine Weile bei den Gehältern im syrischen öffentlichen Dienst helfen will. Ähnliche Zahlungen hat Katar früher an die Hamas im Gazastreifen geleistet. In Syrien wäre es zumindest ein Beitrag zur Stabilität. Wie niedrig die Gehälter sind, war ein wichtiger Grund für das Ende des Assad-Regimes. Sie liegen bei rund 25 Dollar im Monat, unter der Armutsgrenze. Die Staatsdiener empfanden Baschar al-Assads Staat gegenüber nicht mehr viel Loyalität.

Syrische Ärzte aus Deutschland sollen helfen

Auch die Kosten für den Wiederaufbau kann man nur schätzen, die Angaben variieren zwischen 250 und 400 Milliarden US-Dollar. Die Vereinten Nationen trauen sich eine präzisere Schätzung am oberen Ende dieser Spanne zu: 388 Milliarden Dollar soll es kosten, dass Syrien das Erbe seines Krieges loswird.

Eine Gruppe um Entwicklungsministerin Schulze (SPD) steht in Damaskus während eines Besuchs in Syrien. (Foto: Sebastian Gollnow/dpa)

Im Gegensatz zum Assad-Regime, dessen Verbündete Iran und Russland kaum zum Wiederaufbau beitrugen, haben es die neuen Herrscher mit ihren Freunden besser. Geld aus den Golfstaaten wird nach Syrien fließen, das steht fest. Die USA und die Europäische Union haben im Januar ihre Sanktionen gegen Syrien teilweise aufgehoben, was Zahlungen aus dem Ausland erst möglich macht. Die Frage wird sein, ob sich die Trump-Regierung an den Kosten beteiligt.

Bisher waren die USA die größten Geldgeber für Syrien – in jenen Provinzen des Landes, die nicht unter Assads Kontrolle standen. Sie halfen zum Beispiel den Weißhelmen, dem Zivilschutz in den Rebellengebieten. US-Gelder kamen auch in Nordostsyrien an, den bis heute die kurdisch dominierten Demokratischen Kräfte Syriens (SDF) beherrschen. Dort sind auch 2000 amerikanische Soldaten stationiert. Aktuell ist die Region allerdings davon betroffen, dass Donald Trump die Zahlungen der staatlichen Entwicklungshilfe USAID hat einfrieren lassen.

Während im Rest Syriens die Nachkriegszeit begonnen hat, ist der Krieg im Norden noch nicht vorbei. Die Türkei und ihre syrischen Söldner greifen die SDF an, sie wollen erreichen, dass die SDF ihre Waffen abgeben. Ahmed al-Scharaa möchte die SDF in die neue syrische Armee integrieren. Die Kurden fürchten um das, was sie sich erkämpft haben: Autonomierechte. Noch ist es unklar, wie der Konflikt ausgeht.

In Paris werden am Donnerstag noch keine konkreten Summen erwartet, was Hilfen für den Wiederaufbau betrifft. Die Bundesregierung hat ein erstes eigenes Projekt gestartet, dabei geht es um deutsch-syrische Klinikpartnerschaften. Die Hoffnung ist, dass viele der 6000 syrischen Ärztinnen und Ärzte aus Deutschland in Syrien helfen wollen. Zu den Zahlen, die das Ausmaß der dortigen Schäden beschreiben, gehört auch diese: Jede dritte Klinik ist zerstört. Für Assad und seine russischen Verbündeten waren Krankenhäuser bevorzugte Ziele.

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